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Keller im Kino

2019 jährt sich der Geburtstag Gottfried Kellers zum 200. Mal. Als das Kino geboren wurde, waren seit seinem Tod gerade fünf Jahre vergangen. Doch erst gut dreissig Jahre später wagte es sich zum ersten Mal an Kellers Stoffe; wir zeigen eine kleine Auswahl. Neben mehreren Adaptionen von «Kleider machen Leute», von denen Helmut Käutners gleichnamige Verfilmung mit Heinz Rühmann aus dem Jahr 1940 als die beste gilt, wurde «Romeo und Julia auf dem Dorfe» mindestens fünfmal verfilmt. Hans Trommers Umsetzung des Seldwyla-Liebesdramas (1941) brachte die Chronisten des alten Schweizer Films immer wieder ins Schwärmen, etwa den legendären NZZ-Filmkritiker Martin Schlappner. In der Filmpodium-Zeitung vom Juni 1990 schrieb er aus Anlass des 100. Todestags von Keller, Trommers Film sei «ein Meisterwerk der musterhaften Psychologie der jugendlichen Erotik und des Selbstmordes. Ein lyrisches Poem, fern aller blossen Illustration einer Erzählung durch Bilder, in seinen filmischen Mitteln kongenial zur Novelle des Dichters. Ein Poem über die ‹Kinder› und für die ‹Kinder›, die sich gegen die Welt, den Hader der Erwachsenen, gegen die Ordnungswillkür der Gesellschaft ihr Liebesrecht nehmen.» Zu Recht legendär ist auch Leopold Lindtbergs fast zeitgleiche, leichtfüssige Umsetzung von «Die missbrauchten Liebesbriefe» mit Anne-Marie Blanc, Paul Hubschmid und Alfred Rasser, deren jüngste Restaurierung am diesjährigen ZFF präsentiert wird und die darum in unserer kleinen Reihe fehlt.
Die damalige Häufung der Keller-Verfilmungen war kein Zufall: 1940 wurde Kellers 50. Todestags gedacht – und neben dem Feiern galt es auch, den Dichter für sich zu deuten und zu reklamieren. Aus diesem Anlass entstand etwa in der Schweiz der Geistigen Landesverteidigung auch der betuliche Kurzdokumentarfilm Gottfried Keller. Leben und Werk. Ein paar Jahre zuvor hatte die Adaption von «Das Fähnlein der sieben Aufrechten» durch Frank Wysbar – eine deutsch-schweizerische Koproduktion der berüchtigten Terra-Film im Auftrag von Josef Goebbels – hierzulande Empörung ausgelöst: Für Martin Schlappner war das ein Film, «der dazu ausersehen war, den Anschluss der Schweiz an das Dritte Reich vorzubereiten». Wir zeigen stattdessen Simon Aebys populäre Neuverfilmung von 2001; Snowboarder Fabien Rohrer und Popsängerin Kisha spielen die Hauptrollen.
Während Kellers Novellen – etwa auch «Der Landvogt von Greifensee», «Ursula» oder «Regine» – immer wieder verfilmt wurden, hat sich an sein Monumentalwerk «Der Grüne Heinrich» einzig Thomas Koerfer gewagt und 1993 nach jahrelanger Vorarbeit mit verschiedenen renommierten Drehbuchautoren den Bildungsroman auf die Liebesgeschichten konzentriert.
Mit einem Augenzwinkern schliesslich zeigen wir auch Flitzer, die Geschichte des Gymilehrers Balz Näf, der dem Wunsch seiner verstorbenen Gattin nachkommen und ein Gottfried-Keller-Museum einrichten will, durch Finanzprobleme aber auf Abwege gerät und allerhand Turbulenzen auslöst. Peter Luisi ist damit eine der lustigsten Deutschschweizer Komödien der letzten Jahre gelungen. (cs)