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Sélection Lumière: Orson Welles’ Othello

Orson Welles’ Othello sollte eigentlich eine italienisch-französische Koproduktion werden, die dem ehrgeizigen Cineasten jene künstlerische Autonomie erlaubte, die ihm Hollywood zunehmend verwehrte. Doch der plötzliche Bankrott des italienischen Produzenten liess das Projekt von Anfang an zu einem Independent-Film werden, dessen mehrjähriger Herstellungsprozess aus materieller Not manche künstlerische Tugend machte.
Spieldaten: Mo, 25.10., 20:45 // Do, 4.11., 20:45 // Do, 11.11., 18:45
Nach mehreren katastrophalen Erfahrungen in Hollywood, bei denen seine Filme von Studios verstümmelt und Projekte abgeschossen wurden, kehrte Orson Welles Ende der 1940er-Jahre seiner Heimat den Rücken und arbeitete in Europa als Schauspieler, um seine Schulden bezahlen zu können. Der italienische Produzent Michele Scalera sah ihn in Gregory Ratoffs Black Magic (1949) als Scharlatan Cagliostro und beschloss, mit ihm Othello zu verfilmen.
Doch kaum war Welles mit seiner Equipe zum Drehbeginn auf der marokkanischen Insel Mogador gelandet, kam die Nachricht von Scaleras Bankrott. Welles sah sich gezwungen, seine Inszenierung völlig neu zu konzipieren und dabei oft von Shakespeares Vorlage abzuweichen. Da die bestellten Kostüme nicht geliefert wurden, engagierte er vor Ort jüdische Schneider, die aus plattgewalzten Sardinendosen Rüstungen gestalteten; die Ermordung Rodrigos wurde mangels Kostümen in ein türkisches Bad verlegt, für das seinerseits ein marokkanischer Fischmarkt herhalten musste. Mehr als drei Jahre bastelte Welles an seinem Film, drehte an immer neuen Orten und wechselte Darstellerinnen aus. Ein kühnes Montagekonzept erlaubte ihm, Aufnahmen verschiedenster Herkunft zu kombinieren und dabei den geistigen Verfall des Protagonisten nachzubilden.
Das Ergebnis, gezeichnet von Tonproblemen und ohne Herkunftsland, wurde 1952 unter marokkanischer Flagge in Cannes lanciert und prompt mit dem Grand Prix (dem Vorläufer der Palme d’Or) ausgezeichnet. Dennoch geriet der Film bald in Vergessenheit und erst eine Restaurierung durch Welles’ Tochter Beatrice Welles-Smith sorgte 1992 für eine Rehabilitation dieses eigenwilligen Meisterwerks. Die abenteuerliche Entstehungsgeschichte schildern Welles und seine Darsteller Micheál MacLiammóir und Hilton Edwards in Welles’ letztem Film, Filming «Othello» (1978) (mb)

*Am Mittwoch, 11. November, 18.00 Uhr: Einführung von Martin Walder