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Freelance Women: Female Stars Fight the Hollywood Studios

Auf dem Höhepunkt des klassischen Studiosystems Hollywoods wurden die Karrieren und das Image der Stars so sorgfältig wie rücksichtslos gepflegt und kultiviert. Zentraler Baustein dafür waren langjährige Arbeitsverträge, die den Schauspieler:innen zwar konstante Beschäftigung einbrachten, aber keinerlei Freiheiten gewährten. Frustriert von den Einschränkungen der Studios, die teils weit ins Privatleben reichten, entschieden sich Schauspielerinnen wie Irene Dunne, Katharine Hepburn, Carole Lombard oder Barbara Stanwyck gegen diese Sicherheit und begannen auf unabhängiger Basis innerhalb des Systems zu arbeiten: Sie handelten neue Verträge aus, erhielten Gewinnbeteiligungen der Einnahmen oder wählten gleich selbst das Drehbuch aus und bestimmten die Regie. Anhand von neun Schauspielerinnen hinterfragt die Retrospektive unseren bisherigen Blick auf das Studiosystem der 1930er- und 1940er-Jahre und zeigt, wie diese Stars die Unterhaltungsindustrie herausforderten und ihr einen gewaltigen Schock versetzten. Versucht man sich das Leben eines Filmstars während der «Goldenen Ära» Hollywoods vor-zustellen, kommen einem vielleicht zuerst die Bilder aus A Star is Born aus dem Jahr 1937 in den Sinn. Um berühmt zu werden, unterwirft sich eine verträumte junge Schauspielerin den mächtigen Studiobossen, die sowohl ihr Aussehen und ihren Namen ändern als auch ihre Karriere und ihr Privatleben kontrollieren. Der Preis für Glanz und Glamour ist der Verlust der eigenen Unabhängigkeit, und Tausende zahlen ihn gern. Doch er führt unweigerlich in die Tragödie.

Die Hauptdarstellerin des Films, Janet Gaynor, war eine der bekanntesten weiblichen Stars jener Zeit, die mutig genug waren, einen anderen Weg einzuschlagen. Gaynor stand zehn Jahre lang erfolgreich bei Fox unter Vertrag, trat in 20 Filmen auf, absolvierte den Wechsel vom Stumm- zum Tonfilm mühelos und gewann ihren ersten Oscar für die beste Darstellerin im Alter von 22 Jahren. Nach der Fusion von Fox mit Twentieth Century sah sie sich jedoch in der Hierarchie des Studios nach unten rutschen und entschied sich, ihren Vertrag nicht zu verlängern und stattdessen freiberuflich zu arbeiten. Kurz darauf unterschrieb sie bei dem unabhängigen Produzenten David O. Selznick, um die Rolle der Esther in A Star is Born zu spielen, ihrem ersten Farbfilm und einer Hollywood-Fabel für die Ewigkeit. Nach einigen weiteren Rollen zog sich Gaynor mit 33 Jahren aus dem Filmgeschäft zurück, heiratete und bekam einen Sohn. «Alles, was ich mir immer gewünscht habe, ist eingetroffen», sagte sie. Hatte Gaynor das Studiosystem geschlagen? Sie wurde ein Star, indem sie sich an die Regeln von Fox hielt – gegangen aber ist sie zu ihren eigenen Bedingungen.

Kunst der Vertragsabwicklung

Inspiriert wurde Gaynor möglicherweise von anderen Kolleginnen aus dem Hollywood der 1930er-Jahre. Schauspielerinnen wie Miriam Hopkins und Carole Lombard, die die hohe Kunst der Vertragsabwicklung zu ihren Gunsten wirklich beherrschten. Zusammen mit ihrem Agenten Myron Selznick handelte Lombard Freistellungen von ihren Verpflichtungen bei Paramount aus, um für andere Studios Box-Office-Hits wie die Screwball-Komödie My Man Godfrey über eine reiche Erbin und einen Landstreicher zu drehen. Obwohl sie durch ihren Studiovertrag zur bestbezahlten Frau Hollywoods avancierte, arbeitete sie anschliessend als freie Agentin auf Film-Basis und engagierte beispielsweise Alfred Hitchcock als Regisseur für Mr & Mrs Smith. Sie drehte weniger, aber es waren bessere Filme, die ihr mehr kreative Kontrolle ermöglichten. Ähnlich machte sich Hopkins bei Paramount einen Namen durch ihre Zusammenarbeit mit Ernst Lubitsch. Doch erst mit der Thackeray-Adaption Becky Sharp unter der Regie von Rouben Mamoulian gewann sie den Oscar als beste Darstellerin und schrieb Filmgeschichte: Es war Hollywoods erster Dreifarben-Technicolor-Film. Dazu war es nur passend, dass eine Schauspielerin, die eine der unabhängigsten und ehrgeizigsten Heldinnen der englischen Literatur spielte, Erfolg hatte. Hopkins' Vertrag hatte es ihr ermöglicht, sowohl den Regisseur selbst zu wählen als auch an den Gewinnen des Films beteiligt zu sein.

Schauspielerinnen, die auf der Leinwand Stärke verkörperten und Frauen spielten, die ihren Wünschen und Ambitionen folgten, übten oft auch hinter den Kulissen entsprechend Macht aus. Die 1930er- und 1940er-Jahre waren in Hollywood auch die Ära der «Frauenfilme». Das Publikum begeisterte sich für Werke insbesondere mit Hauptdarstellerinnen und die ambitionierten Regisseurinnen, die diese Filme drehten/realisierten. Katharine Hepburn beispielsweise gelang es, sich nach einer Reihe von Flops aus den Zwängen des Studiosystems zu befreien und den Vorwurf, sie sei Kassengift, zu widerlegen: Für ihr Traumprojekt The Philadelphia Story wählte sie Drehbuch, Regie und Co-Stars selbst aus. Die spritzige Komödie über eine verwöhnte Erbin am Vorabend ihrer zweiten Hochzeit belebte Hepburns Karriere neu und festigte ihr Image als alleinige Herrscherin über ihr persönliches Schicksal.

Unvergessliche Komödien

Nur den Mutigsten aber gelang es, sich den Restriktionen der Studios vollständig zu entziehen. Barbara Stanwyck, die in ihren Filmen stets die selbstbestimmte Frau verkörperte, war von ihrem ersten Tag in Hollywood an unabhängig und unterzeichnete immer nur kurzfristige Verträge. Ihre Entscheidungen waren oft mutig, und einige ihrer grössten Erfolge erzielte sie, wenn sie überzeugte Aussenseiterinnen spielte, wie die Mutter aus der Arbeiterklasse im Melodram Stella Dallas oder die Nachtclub-Sängerin in Balls of Fire, die beide unter Samuel Goldwyns unabhängiger Produktionsfirma entstanden waren.

Ähnliche Strategien wählten auch Irene Dunne und Claudette Colbert, die beide von dem unabhängigen Agenten Charles Feldman vertreten wurden, der sich für nicht exklusive Engagements seiner Klientinnen einsetzte. Fünf Mal wurde Irene Dunne für den oscarnominiert, gewonnen hat sie den Academy Award aber nie. Dennoch gilt Dunne als eine der grössten Schauspielerinnen Hollywoods. Ihre Karriere ist gespickt mit unvergesslichen Komödien und kraftvollen Melodramen – so wie auch die von Colbert. Deren osprämierte Rolle in der erfolgreichen Screwball-Komödie It Happened One Night sowie ihre einfühlsame Darstellung einer verwitweten Mutter in der Originalversion des den Rassismus anprangernden Dramas Imitation of Life sind Beweis dafür, dass die Studios den Erfolg längst nicht für sich gepachtet hatten.

Dagegen kostete ein Leben unter Vertrag in Hollywood oftmals einen hohen Preis. Stummfilmstar Clara Bow erlitt 1930 aufgrund von Überarbeitung und Skandalen einen Nervenzusammenbruch und wurde prompt von ihrem Studio Paramount fallen gelassen. Sie hatte vergeblich dafür gekämpft, die Moralitätsklausel aus ihrem Vertrag zu streichen, die ihr bis ins Privatleben hinein strengste Vorgaben machte. Als sie schliesslich nach Hollywood zurückkehrte, tat sie dies «nur, um genug Geld zu verdienen und sich aus dem Geschäft heraushalten zu können». Sie war zwar sehr gefragt, drehte aber das gewagte Pre-Code-Drama Call Her Savage (1932) erst nachdem sie mit dem neuen Studio Fox einen vorteilhafteren Vertrag ausgehandelt hatte, der ihr das Recht einräumte, die Romanvorlage, den Regisseur und ihren männlichen Hauptdarsteller selbst auszuwählen.

Kampf um Anerkennung

Für andere war der Studiovertrag nie eine Option. Stars wie Anna May Wong, Hollywoods erste chinesisch-amerikanische Schauspielerin, und die Mexikanerin Dolores Del Rìo drehten bedeutende Filme in Amerika, waren jedoch gezwungen, als freie Künstlerinnen zu arbeiten. Während Wong schliesslich nach Europa floh, um dem Typecasting zu entkommen, das sie auf erotisch-exotische Rollen festlegt, kehrte Del Rìo in ihre Heimat zurück, um ein Star der Goldenen Ära Mexikos zu werden. The Fugitive (1947) von John Ford über eine Mexikanerin, die sich in Henry Fondas flüchtigen Priester verliebt, war eine erfolgreiche mexikanisch-amerikanische Koproduktion, die in dieser Zeit entstand.

Parallel dazu veranschaulicht die Karriere von Olivia de Havilland sämtliche Vorteile eines Ausstiegs aus dem Studiosystem. De Havilland, die 1934 bei dem für seine Strenge bekannten Studio Warner Bros. unterkam, war bald darauf auf naive Mädchenrollen festgelegt. Meist gab sie Errol Flynns Liebchen in seinen Mantel-und-Degen-Filmen. Nach einer weiteren unfairen Vertragsverlängerung verklagte die Schauspielerin das Studio und gewann schliesslich einen sehr erbitterten Prozess. Obwohl ihr damit gedroht wurde, dass sie unabhängig vom Ausgang des Verfahrens nie wieder arbeiten könnte, sah die Realität ganz aus: Nach ihrer Befreiung von Warner übernahm de Havilland eine Reihe anspruchsvoller Hauptrollen in unabhängigen Produktionen. Sie gewann zwei Oscars als beste Darstellerin für To Each His Own (1946) und The Heiress (1949). 1965 leitete sie als erste Frau die internationale Jury beim renommierten Cannes Film Festival.

Für de Havilland und ihre freiberuflichen Kolleginnen war es alles andere als einfach, sich aus den Fängen des strengen Studiovertragssystems zu befreien. Ohne eine der grossen Produktionsfirmen im Rücken konnte ein Star nur so gut sein wie sein letzter Film. Deshalb arbeiteten die freiberuflichen Schauspielerinnen im Goldenen Zeitalter Hollywoods doppelt so hart daran, jeden neuen Film zu ihrem bisher besten zu machen. Sie kämpften für ihre Rollen, ihre Oscars – und ihre Anerkennung.
Pamela Hutchinson

Pamela Hutchinson ist Autorin, Kritikerin, Kuratorin und Filmhistorikerin. Sie ist Kolumnistin für Sight & Sound und veröffentlichte 2023 ein Buch über The Red Shoes.

Übersetzung: Pamela Jahn