Elizabeth Taylor und Richard Burton: Porträt einer rasenden Liebe
Sie waren das bekannteste Ehepaar ihrer Zeit, geliebt vom Publikum, verdammt vom Papst. Elizabeth Taylor und Richard Burton standen im Film und in ihrem Privatleben für schillernde Figuren, mitreissende Dramen und ausschweifenden Glamour. Als sie 1963 für Cleopatra erstmalig zusammen in einem Film auftraten, waren sie bereits etablierte Stars. Dass es sofort auch neben dem Set funkte, freute die Boulevardpresse und war zugleich skandalös, denn beide waren verheiratet. Zehn weitere gemeinsame Filme, zwei Hochzeiten, Alkoholexzesse, wilde Zänkereien, grosse Versöhnungen und noch grössere Diamanten säumten danach ihren Weg. Anlässlich des 100. Geburtstages von Richard Burton widmet das Filmpodium dem Paar eine umfassende Retrospektive, die neben einer Auswahl gemeinsamer Filme auch solche umfasst, in denen sie getrennt auftreten. Hollywoodglanz triftt dabei auf britische Theatertradition, Exzesse der 1960er-Jahre auf Pop-Art. Der Blick wird so freigegeben auf zwei herausragende Schauspieler:innen, die überaus kühne künstlerische Produktionen schufen. Ganz besonders freuen wir uns auf den Besuch des deutschen Filmemachers Dominik Graf, der sein neuestes, dem Filmschauspiel gewidmetes Buch «Sein oder Spielen» am Mittwoch, 12. November in einer Lesung vorstellen wird. Eine wunderbare Gelegenheit, um gemeinsam mit ihm über das Schauspiel nachzudenken.
1941. Elizabeth Taylor ist gerade neun Jahre alt, als ihre Familie von England in die Vereinigten Staaten zieht. Das Ziel ist Hollywood, wo ihre Mutter, eine ausgebildete Schauspielerin, fest entschlossen ist, ihrer Tochter die Karriere zu ermöglichen, die sie selbst nie hatte: Das Mädchen unterschreibt ihren ersten Vertrag beim Studio MGM, und kurz darauf brilliert sie auch gleich in einer Reihe von Familienfilmen, in denen sie als jungfräuliches Mädchen dargestellt wird: Lassie Come Home (1943), National Velvet (1944) oder Little Women (1949). Nach Shirley Temple wird Liz Taylor zum neuen Lieblingskind Amerikas. Taylor – die Jahre später gestehen wird, dass das Kino ihr die Kindheit geraubt habe – wächst vor den Augen von Millionen von Zuschauer:innen auf und entwickelt sich bald zu einer jungen Frau mit sicherem Auftreten. In den 1950er-Jahren verkörpert sie vom Leben verwöhnte Heldinnen und wird dabei von den Filmemachern mit Argusaugen beobachtet. Zwei ihrer grössten Rollen bietet ihr George Stevens an: In dem prächtigen Film noir A Place in the Sun (1951) verliebt sich ein mittelloser Arbeiter (Montgomery Clift) in eine junge Frau aus der High Society. Den sozialen Aufstieg möchte er um jeden Preis schaffen, selbst vor Straftaten schreckt er nicht zurück. Die von Taylor gespielte Frau wird dabei von Stevens wie ein unerreichbarer Traum gefilmt. Fünf Jahre später folgte Giant (1956), ein ambitioniertes Epos, das den Siegeszug der Ölindustrie in Texas anhand des Porträts eines Paares nachzeichnet. Taylor ist so gut wie in jeder Einstellung zu sehen und hat in den mehr als drei Stunden Filmdauer alle Lebensalter in der sich über mehrere Jahrzehnte erstreckenden Geschichte zu durchlaufen. Bereits in diesem Werk zeigt sich ein wiederkehrendes Motiv ihrer Filmografie: die Ehe als strukturierendes Ereignis im Leben einer Frau. Die Beherrschung der in Giant eindrücklich gezeigten Naturelemente wird dabei zu einer Metapher für die Herausforderungen der Ehe.
Verdammt vom Vatikan
Der Rückgang der strengen Zensurvorgaben ermöglichte es Hollywood, die provokanten Stücke von Tennessee Williams zu verfilmen. Taylor war eine der wiederkehrenden Schauspieler:innen in dessen Adaptionen wie Cat on a Hot Tin Roof (1958) oder Suddenly, Last Summer (1959), und sie nutzte diese Filme, um ihre Sinnlichkeit voll zur Geltung zu bringen. Gleichzeitig wird ihr Spiel zunehmend von einer neuen Garde von Schauspieler:innen beeinflusst, die sich dem Method-Acting verpflichteten, wie Marlon Brando (mit dem sie 1968 zusammen in Reflection in a Golden Eye auftritt), Paul Newman oder ihr enger Freund Montgomery Clift. Immer wieder geht es in den Filmen dieser neuen Generation nicht nur um die Institution der Ehe, sondern sie nehmen auch die Sexualität der Amerikaner:innen gnadenlos unter die Lupe. 1962 verstrickte sich Joseph Mankiewicz in die Dreharbeiten zum damals teuersten Hollywoodfilm aller Zeiten, dem grossen historischen Epos Cleopatra. Die Rolle der Kleopatra ist die Rolle ihres Lebens – und die 30-jährige Elizabeth Taylor handelt ein für damalige Verhältnisse unerhörtes Gehalt von einer Million Dollar aus. Die Dreharbeiten sind ebenso turbulent wie gigantisch und bringen das Studio Twentieth Century Fox an den Rand des Bankrotts. Cleopatra verändert auch das Leben der Schauspielerin grundlegend. Während der sechsmonatigen Dreharbeiten in Rom entwickelt sich eine Romanze zwischen der Schauspielerin und ihrem Filmpartner, dem walisischen Schauspieler Richard Burton, der die Rolle des Marcus Aurelius, Kleopatras Liebhaber, spielt. Das Problem dabei: Beide sind bereits verheiratet. Als die Affäre publik wird, kommt es zum grössten Skandal, den Hollywood je erlebt hat. Die aussereheliche Beziehung wird in der gesamten Presse breitgetreten und Taylor und Burton werden von Paparazzi verfolgt. Sogar der Vatikan verurteilt die beiden scharf und bezichtigt sie der «erotischen Herumtreiberei». Währenddessen dokumentiert Regisseur Mankiewicz auf der Leinwand und vor dem Hintergrund eines historischen Freskos, in dem Leidenschaften politische Entscheidungen im historischen Rom und Ägypten beeinflussen, das Aufblühen einer Liebe.
Heirat des Jahrhunderts
Richard Burton, geboren als Richard Walker Jenkins Jr., wuchs in Wales in einer Bergarbeitergemeinde auf. Dank der Hilfe seines engagierten Literaturlehrers Philip Burton gelang es ihm, seinem ursprünglichen Milieu zu entkommen. Richard studierte in Oxford, stieg die soziale Leiter empor und wurde ein anerkannter Theater- und Filmschauspieler – und nahm den Namen seines geistigen Vaters an. In den 1950er-Jahren trat er in einer Reihe von ernsten Filmen auf, darunter Tony Richardsons Look Back in Anger (1959), eine Produktion über einen jungen, überaus wütenden Mann, der für die Gesellschaft wie für seine Frau nur Verachtung übrighat. Als Burton auf Taylor traf, musste er als gestandener Schauspieler zwar nichts mehr beweisen, doch Taylor verhalf ihm zu weltweiter Berühmtheit. Eine Seltenheit in der Branche: Der Mann profitierte vom hohen Bekanntheitsgrad der Frau. Und Hollywood nutzte dies aus. Burton und Taylor, die 1964 zum ersten Mal heirateten, mussten ihre Liebe in speziell für sie geschriebenen Drehbüchern ausleben. Ihre elf gemeinsamen Filme können fast als Dokumentarfilme über die Intimität des Paares gelesen werden. In Who’s Afraid of Virginia Woolf? (1966) verkörpern sie ein überaus explosives Paar, das uns seine schönsten Eskapaden präsentiert: gemeinsamer Alkoholismus, titanische Streitigkeiten, explosive sexuelle Spannung. Das Paar inspirierte sowohl grosse historische Adaptionen wie die Shakespeare-Verfilmung The Taming of the Shrew (1968) als auch kleine, intime Filme, die an den Experimentalfilm grenzen. Exemplarisch steht dafür Boom! (1968) von Joseph Losey, eine weitere Adaption eines Stücks von Tennessee Williams, in der Taylor eine unermesslich reiche Frau spielt, die sechsmal geschieden ist (die Schauspielerin selbst wird achtmal geschieden) und Besuch von einem Todesengel bekommt, gespielt von Burton. The Sandpiper (1965) von Vincente Minnelli ist schliesslich ohne Zweifel ihr schönster gemeinsamer Film, ein schmerzliches Melodram, in dem aussereheliche Leidenschaft zu einer genuin spirituellen Berufung wird.
Experimentelle Arbeiten
Das Paar lässt sich 1974 ein erstes Mal scheiden, heiratet im Jahr darauf erneut – um sich 1976 ein zweites Mal scheiden zu lassen. Währenddessen erneuert sich das Starsystem, und beide setzen im Laufe der 1960er- und 70er-Jahre ihre jeweiligen Karrieren in teils seltsamen,
teils unausgewogenen Filmen fort, die jedoch immer durch kraftvollen Wagemut bestechen. In dem überaus erstaunlichen Identikit (1974) beispielsweise schleppt Taylor ihre Einsamkeit durch die Strassen Roms, während Burton in Equus (1977) von Sidney Lumet einen Psychiater spielt, der einen jungen Mann behandelt, der sich zu Pferden hingezogen fühlt. Burton litt unter Schlaflosigkeit, Alkoholismus und Depressionen und starb 1982 im Alter von 58 Jahren in den Nähe von Genf an den Folgen seines exzessiven Lebenswandels. Taylor setzte ihre Karriere im Fernsehen fort und blieb weiterhin eine zentrale Figur des internationalen Jetsets. Sie starb 2011 im Alter von 79 Jahren. Zu guter Letzt muss noch auf ein besonderes, geradezu geheimnisvolles Werk verweisen werden: Die Tagebücher von Richard Burton stellen den perfekten Kontrast zur Karriere des Paares dar. Sie sind nicht nur ein grossartiges literarisches Werk, sondern zeichnen auch das Porträt eines gequälten, depressiven Mannes, der seinen Ruhm und Reichtum immer mit den spöttischen Augen des Arbeitersohnes betrachtete, der er zeitlebens geblieben war. In dem Tagebuch berichtet er von seiner leidenschaftlichen Liebesgeschichte mit Taylor, und fern der Schlagzeilen der Boulevardpresse lässt sich in diesen Einträgen eine verzehrende Leidenschaft erahnen, wie zum Beispiel in diesem Satz: «Ich wachte um 4.30 Uhr auf und wartete darauf, dass der Rest der Welt aufwachte. Der Rest der Welt war Elizabeth.»
Murielle Joudet
Murielle Joudet ist eine französische Filmkritikerin. Sie hat Bücher über Isabelle Huppert, Gena Rowlands und Catherine Breillat veröffentlicht sowie «La Seconde Femme, ce que les actrices font à la vieillesse».