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Bauhaus und Max Bill

Vor 100 Jahren, im Sommer 1919, begann mit der Gründung des Bauhauses in Weimar die Geschichte der wohl berühmtesten Kunsthochschule überhaupt. Neben traditionelle Kunstdisziplinen traten auch neuere wie Fotografie und Film. Vier Programme zeigen, wie der Film am Bauhaus verstanden wurde; sie werden ergänzt durch ein Filmporträt des Zürcher Bauhaus-Schülers Max Bill.
Das Bauhaus verband die traditionell getrennten Bereiche bildende Künste (Malerei, Skulptur), angewandte Künste (Kunsthandwerk) und darstellende Künste (Theater, Bühne) und unterrichtete diese in handwerklich orientierten «Werkstätten». Dazu kamen neuere Disziplinen wie Fotografie und Film. Die Schule hatte sich die Aufhebung der künstlerischen Spezialisierung auf die Fahnen geschrieben. Der Blick über die Grenzen von Fächern und Einzelmedien hinaus sollte inspirierte, neuartige Werke ermöglichen und durch die Überlagerung unterschiedlicher Künste zu Innovation führen. Diese Erweiterung des Filmbegriffs ist noch heute ein wichtiges Erbe des Bauhauses.
Das im Bauhaus entwickelte Konzept suchte den damals noch recht jungen Film im Rahmen der visuellen Künste zu vermitteln. Die Grenzen der Einzeldisziplinen (z. B. Typografie, Grafik, Werbung, Foto, Film) sollten überwunden und das Bewegtbild in die bildenden Künste integriert werden. Wir verdanken es diesen am Bauhaus entwickelten Ideen, dass Film heute regelmässig Einsatz findet in Theater, Ausstellung, Performance oder Installation. Mittlerweile hat sich eine sämtliche Bildformen integrierende Kunst entwickelt, wie sie der Bauhausprofessor László Moholy-Nagy schon vor Jahrzehnten konstatierte: «Man kann nicht mehr die Malerei, die Fotografie, den Film und das Lichtspiel eifersüchtig voneinander trennen.» Das Bauhaus hatte bereits in den 1920er-Jahren diese vielfältigen Zugänge zum bewegten Bild angedacht und weiter vermehrt. Durch so eine systematische Ausweitung des Filmverständnisses wurde nicht nur die Praxis bereichert, sondern auch die Diskussion über die Potenziale und Eigengesetzlichkeit des Filmmediums befruchtet. Hundert Jahre später haben die hybriden Zwischenformen ungemein zugenommen, etwa Essayfilm, Fotofilm, Film im Theater, Gedichtfilm, Scherenschnittfilm, Schriftfilm usw. Diese Filmpraxen finden beachtliche Verbreitung, sind keineswegs mehr nur ein randständiges Phänomen. Halten wir also fest: Das Bauhaus als Konzeption hat sich darum bemüht, die Zugänge zum Film zu vermehren.
Das Bauhaus wollte aber keinesfalls l’art pour l’art produzieren, sondern – als Teil einer breiteren Reformbewegung der Weimarer Republik – in eine Massengesellschaft eingreifen. Dies zeigen insbesondere die Filme mit sozialen Beobachtungen und zur Reformarchitektur. An die politische Haltung des historischen Bauhauses, seine strikte Ablehnung nationalistischer, militaristischer und autoritärer Vergangenheit sollte immer wieder erinnert werden. Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der kürzlich erfolgten Absage des Konzerts einer mutmasslich linksradikalen Musikband in der Bauhaus-Aula in Dessau durch die Leitung des Bauhauses; sie wurde u. a. damit begründet, dass sich die heutige Institution als «unpolitisch» verstehe.
Unsere Filmauswahl berücksichtigt daher insbesondere Filme mit politischen Dimensionen, Filme, anhand derer wichtige Fragen gestellt werden können. Dazu gehört auch die Problematisierung der symbiotischen Arbeitsgemeinschaften, in denen Bauhäuslerinnen als Lebensgefährtinnen ihrer Männer an zentralen Werken der deutschen Filmavantgarde mitwirkten, so an den abstrakten Filmen Symphonie Diagonale, Opus 3, Opus 4 und Filmstudie. In den Vor- und Abspännen und auch in der Filmgeschichte hat man ihnen die Anerkennung ihrer gestalterischen Mitwirkung bisher grösstenteils verwehrt, doch wird dies immer weniger akzeptiert. Frauen wurden also auch im Bauhaus diskriminiert und – trotz einer offiziellen Politik der «absoluten Gleichberechtigung» (Walter Gropius) – meist in «weibliche Fächer» wie die Weberei abgedrängt. Dennoch finden sich erstaunlich viele Filme dieser Generation selbstständiger Frauen.
Wozu beschäftigen wir uns mit der Geschichte des Bauhaus-Films? Um Alternativen zu uns zu erfahren. Um Kenntnisse zu erlangen, wie sich eine Film- und Mediengeschichte ohne die Unterbrechung durch Nazi-Diktatur und Krieg hätte weiterentwickeln können. Aber auch um unsere Gegenwart zu hinterfragen, den Mythos vom Koloss Bauhaus und seiner PR-Industrie, indem wir die Bauhaus-Filme nicht allein als Äusserungen von Autorenfilmschaffenden untersuchen, sondern unser Augenmerk auf die strukturellen Veränderungen legen, die sich in den Filmen aus dem Umfeld des Bauhauses ankündigen, die neue Bilder und neue Sehweisen erst möglich gemacht haben.
In vier exemplarischen Zuspitzungen wollen wir zeigen, wie der Film am Bauhaus verstanden wurde: von den abstrakten Film-Experimenten über reformerische Architekturfilme bis hin zu beobachtenden, sozialen Dokumentarfilmen. Und schliesslich stellen wir uns die Frage, welche Filme das Bauhaus schaute und bewunderte.
Thomas Tode

Thomas Tode lebt in Hamburg als freier Filmemacher, Kurator und Publizist und hat sich in Publikationen und Symposien immer wieder mit dem Bauhaus auseinandergesetzt, etwa diesen April an der Tagung «Bauhaus + Film. Neue Perspektiven» an der Bauhaus-Universität Weimar.

Programm: Thomas Tode und Steffi Giaracuni

Das Bauhaus-Programm ist eine Koproduktion zwischen dem Filmpodium Zürich und dem Stadtkino Basel. Wir danken dem Stadtkino Basel für die engagierte Zusammenarbeit.

Hinweis: Ab drei Teilen dieses Programms lohnt sich für Sie unser neuer PROGRAMM-PASS: Er bietet freien Eintritt zu allen Vorstellungen des aktuellen sechswöchigen Angebots (inkl. Stummfilme mit Live-Musik). Preis: CHF 60.–; erhältlich an der Kinokasse.

Mit freundlicher Unterstützung von Hauser & Wirth.