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Das erste Jahrhundert des Films: 1949

In der Dauerreihe «Das erste Jahrhundert des Films» zeigen wir im Lauf von zehn Jahren rund 500 wegweisende Werke der Filmgeschichte. Die Auswahl jedes Programmblocks ist gruppiert nach Jahr­gängen, woraus sich schliesslich 100 Momentaufnahmen des Weltkinos von 1900 bis 1999 ergeben. Referenzzahl ist jeweils der aktuelle Jahrgang, d. h. im Jahr 2019 sind Filme von 1919, 1929, 1939 usw. zu sehen. 1949 ist das Jahr, in dem die unmittelbare Nachkriegszeit endet, der Kalte Krieg die Welt in zwei Lager spaltet – und in dem ein Film mit einer Zither-Melodie, mit Orson Welles' «Kuckucksuhr-Rede» und mit einer Verfolgungsjagd durch die Wiener Kanalisation für Furore sorgt: Dem Briten Carol Reed gelingt mit The Third Man eine höchst authentische Momentaufnahme der geteilten und besetzten Stadt Wien, die zu den besten britischen Filmen des ganzen Jahrhunderts zählt. Eine der brillantesten britischen Komödien inszeniert dagegen in diesem Jahr Robert Hamer mit Kind Hearts and Coronets, wo mit tiefschwarzem Humor durch familiäre Reihen gemordet wird; alle acht Opfer werden von Alec Guinness verkörpert, der damit seinen Weltruhm begründet.
Einen der Höhepunkte des amerikanischen Gangsterfilms erschafft 1949 Raoul Walsh mit White Heat, in dem James Cagney einen brutalen Gangster mit einem krankhaften Mutterkomplex spielt – ein Lieblingsfilm von Cineasten wie Rainer Werner Fassbinder und Martin Scorsese. So schnell zu sein wie die Amerikaner, das versucht Jacques Tati als staksiger Postbote in seinem Langfilmdebüt Jour de fête und überholt auf seinem Fahrrad sogar die Equipe der Tour de France; bereits hier zeigt sich sein traumwandlerisches Gespür für Stimmung, Timing und Effekte. Ein weiterer Erstling aus diesem Jahr ist Jean-Pierre Melvilles Le silence de la mer, der eindrücklich das konsequente Schweigen als Zeichen des Widerstands veranschaulicht und zu den bedeutendsten Résistance-Filmen überhaupt gehört.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges beginnt auch die grosse Zeit des japanischen Kinos: Yasujiro Ozus meisterhafter Später Frühling, der den Auftakt zu seinem majestätischen Spätwerk bildet, ist eine zärtliche Alltags- und Menschenstudie mit einer der erhabensten Schlusssequenzen der ganzen Filmgeschichte.

Weitere wichtige Filme von 1949:
Adam's Rib George Cukor, USA
Border Incident Anthony Mann, USA
Criss Cross Robert Siodmak, USA
Ein streunender Hund (Nora inu) Akira Kurosawa, J (läuft in der Toshiro-Mifune-Reihe, Juli – Sept. 2019)
Gun Crazy Joseph H. Lewis, USA
Little Women Mervyn LeRoy, USA
On the Town Stanley Donen, Gene Kelly, USA
Orphée Jean Cocteau, F
Riso amaro Giuseppe de Santis, I
Rotation Wolfgang Staudte, D
She Wore a Yellow Ribbon John Ford, USA
The Fountainhead King Vidor, USA
The Heiress William Wyler, USA
The Reckless Moment Max Ophüls, USA
Thieves' Highway Jules Dassin, USA
Whiskey Galore! Alexander Mackendrick, GB
Tanja Hanhart



Vor einzelnen Filmen der Jahre 1949, 1959 und 1969 werden Beiträge der Schweizer Filmwochenschau aus dem jeweiligen Jahr gezeigt. Die Auswahl besorgt der Historiker Severin Rüegg. Mit freundlicher Unterstützung von Lumière, Förderverein Filmpodium.