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4th Arab Film Festival Zurich

Das 4th Arab Film Festival Zurich zeigt einen Querschnitt durch das vielfältige aktuelle arabische Filmschaffen: packende Geschichten, liebenswerte Alltagsepisoden und knallharte Perspektiven auf ein Leben in turbulenten Verhältnissen, gedreht in Ländern, die uns oft nur in den Medien mit News zu Terror und Krieg begegnen. Erneut zeigt sich, wie kreativ sich das junge arabische Kino mit den politischen und sozialen Zuständen auseinandersetzt.

Das Filmpodium bietet keine Festivalpässe an, dafür aber eine attraktive Alternative: Das Filmpodium-Spezial-Halbtax! Es ist an der Kinokasse zum Preis von CHF 40.– erhältlich, bis 31.12.2018 gültig und gewährt Eintritt zum halben Preis für alle Filme des Filmpodium-Programms. Am 4th Arab Film Festival laufen 22 Filme bzw. Veranstaltungen – das Abo lohnt sich bereits ab 5 Filmen.
Der arabische Film ist ein Phänomen im wörtlichen Sinn: eine Erscheinung, die nur schwer zu fassen ist. Im französischsprachigen Raum lautet die Bezeichnung «les cinémas arabes» und trifft mit dem Plural den Kern der Sach. Das arabische Kino ist – wie die (arabische) Welt – bunt, divers und schwer auf einen Nenner zu bringen. Die Suche nach Gemeinsamkeiten führt in die Geschichte des arabischen Films: Berührungspunkte lassen sich unter anderem in einer poetischen und visuellen Hochkultur ausmachen sowie in den Parallelen einer meist kolonialen Vergangenheit. Aus der heraus lässt sich auch die in den meisten arabischen Staaten sehr spät einsetzende Filmproduktion erklären. Politische und wirtschaftliche Abhängigkeiten von den Schutzmächten (hauptsächlich Frankreich und England) und deren Repressionen gegen die autochthone Kultur verhinderten eine eigenständige Filmkultur. Die einzige Ausnahme bildet Ägypten, das bereits während der Kolonialzeit mit dem Aufbau einer landeseigenen Produktion beschäftigt war und dieses Geschäft bis heute meisterhaft beherrscht. In den 1950er-Jahren galt die ägyptische Filmindustrie mit ihren Studios rund um Kairo und Alexandria als drittgrösste weltweit. Ihr Markenzeichen waren leichte Musicalrevuen und tränenreiche Melodramen. Durch eine enorme Produktionsleistung zirkulierten die auf Kommerz getrimmten ägyptischen Filme auf den Leinwänden in der ganzen arabischen Welt. Im Rahmen des Länderschwerpunktes Ägypten wird am 4th Arab Film Festival Zurich auch an dieses goldene Zeitalter erinnert, wenngleich vor allem in jüngster Zeit ein unabhängiges ägyptisches Filmschaffen für Wirbel in seiner Heimat sorgt. Diese kreativen Spannungen und das historische Erbe sind Thema einer Podiumsdiskussion mit Film- und Kulturschaffenden aus Ägypten am Sonntag, 18. November, um 19 Uhr.

Kino als Katalysator
Die filmgeschichtlichen Wurzeln der anderen arabischen Länder liegen meist in den politischen Befreiungskämpfen im Zuge der Dekolonialisierung. Es überrascht wenig, dass es sich dabei vor allem um radikale Experimente, Dokumentarfilme oder sozial engagierte Werke handelt. Stellvertretend für dieses politisierte Kino kann das Filmschaffen in Algerien ab 1954 oder jenes von Palästina seit Ende der 1960er-Jahre genannt werden. Heute ist das Spektrum der Geschichten, die uns die Filme aus der sogenannten MENA-Region (Middle East and North Africa) zeigen, weit vielfältiger: Sie erzählen von struktureller Entwicklung und staatlichen Interventionen. Das Kino ist Ausdruck einer Repräsentationspolitik oder Vehikel für Revolutionen. Es überrascht mit Witz und Poesie, um staatlicher Zensur zu entgehen, und drückt sich budgetbedingt oft in experimentellen Formen aus. Nicht nur die Vielfalt im arabischen Filmschaffen hat die letzten Jahre enorm zugenommen, auch die Begeisterung des Publikums für die Werke dieser «new Arab voices». Nahezu alle grossen A-Festivals zeigen arabische Filme im Wettbewerb, aber auch die Industrien in den arabischen Ländern selbst haben das Potenzial erkannt. «Die Eröffnung von Kinos wird ein Katalysator für wirtschaftliches Wachstum und Diversifikation sein.» Die Worte des saudischen Kulturministers Auwad al-Auwad gingen im Dezember 2017 um die Welt, als das ultrakonservative Land mit der Ankündigung verblüffte, das seit 35 Jahren bestehende Verbot von Kinos aufheben zu wollen. Seit April 2018 gibt es tatsächlich ein reguläres Kinoprogramm; die US-amerikanische Kette AMC sicherte sich die Lizenz. Neben unverhohlen wirtschaftlichen Interessen innerhalb des Strukturplans «Vision 2030» mag das Zugeständnis des Königreichs die Reaktion auf einen anderen wunden Punkt sein: Es gab einige Häme für das Land, als gleich zwei saudische Filme erfolgreich bei internationalen Festivals liefen, die eigene Bevölkerung aber auf eine öffentliche Vorstellung verzichten musste. Neben Wadjda (Haifaa Al Mansour, 2012) sorgte die Komödie Barakah Meets Barakah von Mahmoud Sabbagh 2016 für Furore. Während einerseits die Filmbranche als wirtschaftliche Heilsbringerin gefördert wird, kam es andererseits gerade im letzten Jahr zu erheblichen Finanzierungsschwierigkeiten. Grund ist die seit Juni 2017 wirksame Wirtschaftsblockade gegen Katar. Da das Doha Film Institute einen der aktivsten Filmfonds betreibt, dessen Gelder in zahlreiche Produktionen der MENA-Region fliessen, sind durch die diplomatische Krise viele Projekte gefährdet.

Junge Talente, Schatten der Vergangenheit und mutige Aufbrüche
Selbst wenn es schwer ist, das Filmschaffen nur allein schon der produktivsten arabischen Länder – Marokko, Algerien, Tunesien, Palästina, Libanon, Syrien, Jordanien und Irak – im Blick zu behalten, fallen in jüngeren Werken doch einige Trends auf: Mutig werden queere Themen angesprochen, etwa in Upon the Shadow von Nada Mezni Hafaiedh (Tunesien 2017; im aktuellen Festival zu sehen), in Anthony Chidiacs Room for a Man (2017) oder in Mohamed Sabbahs Chronic (2017), beides Werke aus dem Libanon, dessen aktuelle Filmproduktion mit vielen jungen Talenten international für Aufsehen sorgt. Dazu zählt etwa Vatche Boulghourjian, dessen erster Spielfilm Tramontane (2017) auch am Arab Film Festival Zurich zu sehen ist. Die Geschichte um den blinden Sänger Rabih Malek (gespielt vom libanesischen Musiker Barakat Jabbar) ist die Aufarbeitung des libanesischen Bürgerkriegs. Obwohl seit 1990 zu Ende, ist der Krieg im aktuellen libanesischen Filmschaffen überaus präsent, unter anderem in den Werken einer breit rezipierten dokumentarischen Schule, zu der zum Beispiel die Regisseurin Mai Masri gehört.
Die Schrecken des Kriegs prägen auch das Kino des Iraks, des zweiten Fokuslandes des Festivals, der mit starken Filmen vertreten ist. 2003 rüttelte der Schnappschuss eines halb verbrannten Zelluloidstreifens zu Füssen eines Journalisten die Filmwelt auf. Das Bild entstand nach der durch US-Truppen initiierten Bombardierung der Baghdad Cinema Studios, wo sich auch das nationale irakische Filmarchiv befand. Nur acht stark beschädigte Zelluloidstreifen waren von einem der grössten Bestände der arabischen Welt übrig geblieben. Das Ereignis rief mehrere künstlerische und restauratorische Projekte nach sich. Verschiedene Filmschaffende, die während des Krieges emigrieren mussten, besuchten im Ausland Filmschulen und sind inzwischen in den Irak zurückgekehrt. Dazu zählen Regisseure wie Yahya Al-Allaq (War Canister, 2013) oder Raad Mushatat (The Silence of the Shepherd, 2014). Mit dem Versuch, erneut eine unabhängige Filmindustrie aufzubauen, trotzen sie dem Verlust. Einer der Furchtlosen ist Mohamed Al Daradji, dessen Son of Babylon (2009; Arab Film Festival 2012) den Wendepunkt zu einer wieder erstarkenden irakischen Filmszene markiert. Das Arab Film Festival Zurich zeigt sein neuestes Werk The Journey, das im März dieses Jahres im Irak uraufgeführt wurde und damit der erste irakische Film seit 27 Jahren ist, der seine Premiere im Heimatland feiern konnte. Und auch das scheint ein Trend im aktuellen arabischen Kino zu sein: Es gibt wieder Hoffnung.
Evelyn Echle

Evelyn Echle ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Filmwissenschaft der Uni Zürich und Vorstandsmitglied des Vereins IAFFZ, International Arab Film Festival Zurich. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Filmgeschichte und Kulturtheorie.


Hören Sie hier einen SRF-Beitrag über das 4th Arab Film Festival Zurich.