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Forman & Menzel

Einige der schönsten Filme zweier Exponenten der tschechoslowakischen Neuen Welle sind restauriert worden und erlauben ein Wieder-Sehen unter optimalen Bedingungen: Miloš Formans Frühwerke, darunter Die Liebe einer Blondine, stehen für den Aufbruch des Prager Frühlings; von Jiří Menzel sind drei seiner Komödien aus der Zeit der «Normalisierung» zu sehen. In den 60er-Jahren begann sich die Neue Welle der tschechoslowakischen Filmschaffenden, die von der Prager Filmschule FAMU ausging, mit unterschiedlichen Mitteln gegen das sozialistische System aufzulehnen. Miloš Forman (1932–2018) und Jiří Menzel (*1938) schufen einige der prägenden Filme jener Bewegung, die mit der Niederschlagung des Prager Frühlings ein jähes Ende fand.

Der eine geht ...
Forman begann 1964 mit dokumentarischen Werken wie Wenn’s keine Musikanten gäbe und Wettbewerb, die bereits kleine, fiktional anmutende Geschichten enthalten und auf seine Spielfilme vorausweisen. Noch im selben Jahr schuf er mit Der schwarze Peter eine enorm einflussreiche Loser-Komödie, die das Lebensgefühl seiner Generation auf den Punkt brachte. Kurz darauf doppelte er nach mit Die Liebe einer Blondine (1965), in dem er die individuellen Sehnsüchte junger Frauen mit der realitätsfremden Welt der Bürokratie konfrontierte. Noch explizitere Systemkritik übten Forman und seine Koautoren Ivan Passer und Jaroslav Papoušek 1967 in Der Feuerwehrball, einer Satire über die Ineffizienz und Korruption des Systems im Gewand einer harmlosen Posse über die Feier einer Provinzfeuerwehr. Nach dem Einmarsch der Sowjets wurde dieser international erfolgreiche Film von den neuen Machthabern verboten. Daraufhin emigrierte Forman in die USA, wo er eine neue Karriere begann, die ihm mehrere Oscars und internationale Kassenschlager bescheren sollte. Bei allem Sinn für süffige, hollywoodtaugliche Unterhaltung – seinen Scharfblick für gesellschaftliche Missstände bewies der Einwanderer auch in One Flew Over the Cuckoo’s Nest (1975), Hair (1979), Ragtime (1981) und The People vs. Larry Flynt (1996).

... der andere bleibt
Menzel hingegen, der Anfang 1968 für seinen Erstling Scharf beobachtete Züge in Hollywood einen Oscar abgeholt hatte, kehrte zurück in die ČSSR, wo er auch nach der sowjetischen Invasion blieb – aus Faulheit, wie er gerne sagt, aber auch weil er seine Landsleute nicht im Stich lassen wollte. Während der bedrückenden Zeit der «Normalisierung» versuchte er weiter seine leisen Satiren zu drehen. Der einmal mehr nach einer Vorlage des Schriftstellers Bohumil Hrabal geschaffene Film Lerchen am Faden, in dem einige vom System bestrafte Intellektuelle sich auf einem Schrottplatz verbrüdern, brachte Menzel 1969 jedoch ein nie explizit formuliertes, aber faktisches Berufsverbot ein; erst 1990 wurde der Film aufgeführt und gewann in Berlin prompt den Goldenen Bären. Also wandte sich Menzel in den folgenden Jahren seiner ersten Liebe, dem Theater, zu und inszenierte auch an ausländischen Bühnen.
Ab Mitte der 70er-Jahre durfte er in der Heimat wieder Filme drehen und arbeitete dabei wiederholt mit dem Schauspieler und Autor Zdeněk Sverák zusammen. Ihre Geschichten – darunter Das einsame Haus am Waldesrand (1976) – waren apolitisch und konzentrierten sich in mehrheitlich komödiantischer Form auf private Konflikte, was Menzel mitunter den Vorwurf einbrachte, er habe sich verkauft. Schon in seinen frühen Filmen jedoch war Menzel nie so sarkastisch und böse gewesen wie etwa Věra Chytilová und andere Cineasten der Neuen Welle. Sein Markenzeichen war vielmehr eine grosse Menschlichkeit, die selbst Vertreter des unterdrückerischen Systems nie dämonisierte, sondern in ihnen die gleichen Schwächen ausmachte, die seit jeher und in jeder Gesellschaftsform zu Missgunst und Machtmissbrauch geführt haben. Statt spezifische Zeitkritik zu üben, strahlen Menzels Komödien neben bodenständigem Witz auch eine zeitlose Poesie aus, die ihnen einen wahren Klassikerstatus verleiht, wie man etwa anhand seiner Hommage an die Anfänge des Kinos, Die wunderbaren Männer mit der Kurbel (1979), oder der Romanze Kurzgeschnitten (1981) sieht. Der Star des letzteren Films, Magda Vášáryová, ist übrigens eine der Mitwirkenden in Robert Kolinskys Menzel-Porträt To Make a Comedy Is No Fun (2016), das in diesem Programm ebenfalls nochmals gezeigt wird.

Die wunderbaren Männer mit der Kurbel wird auch im Rahmen der Sélection Lumière gezeigt, am 18. Oktober um 18.15 Uhr mit einer Einführung von Martin Girod.

Der Kabarettist Emil Steinberger ist ein grosser Fan von Jiří Menzel und hat sich immer gefreut, wenn er in seinem Luzerner Kino einen Menzel-Film zeigen konnte. Auch wenn sie nie zusammengearbeitet haben, kennt und schätzt Menzel wiederum Emil Steinberger sehr. Emil Steinberger wird am 3. November um 18.15 Uhr Kurzgeschnitten präsentieren.
Michel Bodmer