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Adiós, Eliseo Subiela

1. JANUAR BIS 15. FEBRUAR 2018

Am Weihnachtstag 2016 ist in Buenos Aires Eliseo Subiela im Alter von 71 Jahren gestorben. Hierzulande wurde sein Tod kaum wahrgenommen – und dies obwohl der argentinische Regisseur in den 1990er-Jahren mit seinen magisch-realistischen Kinomärchen auf Schweizer Leinwänden Grosserfolge feierte. Nun kann der zu Unrecht etwas in Vergessenheit geratene Südamerikaner wiederentdeckt werden.
Zu jedem der sieben Filme, die das Filmpodium zeigt, ist auf dieser Website auch ein kurzes Interview mit dem Regisseur zu finden, in der dazugehörigen Foto/Trailerleiste.
Als Eliseo Subiela am 25. Dezember 2016 einem Herzinfarkt erlag, griffen selbst argentinische Medien auf einen dreissig Jahre alten Film zurück: «Der Regisseur von Hombre mirando al sudeste ist tot.» Dabei war der 1944 geborene argentinische Cineast gegen Ende seines Lebens keineswegs verstummt, sondern durchaus mit neuen Projekten beschäftigt. Er hatte in den Monaten vor seinem Tod sowohl auf der Theaterbühne wie auch an einem neuen Film, Corte Final, einer Hommage ans Kino, gearbeitet. Hauptdarsteller sollte Miguel Ángel Solá sein, der in den 1980er-Jahren als Protagonist in Sur und Tangos: El exilio de Gardel von Subielas Landsmann Fernando Solanas Weltruhm erlangte. Mit dem acht Jahre älteren Solanas sind die Anfänge der Filmkarriere von Subiela verbunden: Als Regieassistent hat er an La hora de los hornos mitgewirkt, dem legendären Revolutionspamphlet von Solanas und Octavio Getino aus dem Jahr 1968. Im Gegensatz zu Solanas und Getino, die vor der sich abzeichnenden Militärdiktatur nach Europa flüchteten, blieb Subiela im Land und schlug sich als Werbefilmer durch. 1981, noch unter der Diktatur, drehte er seinen ersten langen Spielfilm, La conquista del paraíso, der allerdings verschollen ist. Fünf Jahre später katapultierte er sich mit seinem Zweitling Hombre mirando al sudeste (Der Mann, der nach Südosten schaut) in den Himmel der bekanntesten Filmschaffenden Lateinamerikas. Es geht darin um einen Psychiatriepatienten, der behauptet, ein Ausserirdischer zu sein, stundenlang im Hof der Klinik steht, in eine Richtung starrt und Signale aus seiner Galaxis empfängt. Der behandelnde Psychiater, der auch nicht weiter weiss, lernt schliesslich die Schwester des Mannes kennen und verliebt sich unsterblich in sie.

Auf der Spur des Mysteriums Liebe
Mit diesem Plot, der genau in die Zeit fiel, in der die lateinamerikanische Literatur vom magischen Realismus eines García Márquez und anderer dominiert wurde, hatte Subiela seine clevere Formel gefunden, die er in den folgenden Filmen raffiniert zu variieren verstand: Transzendenz, angesiedelt zwischen Normalität und Wahnsinn, Leben und Tod, Imagination und Realität, plus eine liebeshungrige männliche Hauptfigur auf der Suche nach der «Traumfrau». Diese «Traumfrau», in einfacher oder auch mehrfacher Ausführung, brachte Subiela bisweilen den Vorwurf ein, ein reaktionäres Frauenbild zu pflegen, was ihn jedoch kaum kümmerte. Mit Filmen wie El lado oscuro del corazón (1992) – einem mit Liebesgedichten vollgestopften Werk um einen schmierigen Verfasser von Gebrauchslyrik – ging er seinen Weg konsequent weiter, als einer, der ohne Angst vor Grenzverwischungen zwischen Kunst und Kitsch nichts Geringeres als das Mysterium der Liebe zu erforschen suchte. So auch in No te mueras sin decirme adónde vas (1995), seinem in der Schweiz erfolgreichsten Film.
Um die Jahrtausendwende trat in Argentinien eine neue Generation auf den Plan, die bald als «neue argentinische Welle» mit Werken von Pablo Trapero, Daniel Burman, Diego Lerman, Adrián Caetano oder Lucrecia Martel international Furore machte. Subielas Stern war da schon am Verblassen. 2001 floppte El lado oscuro del corazón 2, das Sequel seines Erfolgsfilms von 1992. Als im gleichen Jahr in Hollywood mit K-Pax ein Plagiat von Hombre mirando al sudeste mit Kevin Spacey und Jeff Bridges in den Hauptrollen erschien, leitete Subiela rechtliche Schritte gegen die Produzenten ein; doch das Verfahren versandete, und er steckte seine Energie lieber in neue Projekte. Seine Filme wurden allerdings kaum mehr ausserhalb Argentiniens gezeigt, nur sein letzter fertiggestellter Film, Paisajes devorados (2012) fand grössere Beachtung. Es geht darin um einen alten Filmregisseur, der in einer psychiatrischen Klinik interniert ist. Der psychisch Kranke in diesem als Mockumentary angelegten Werk wurde von keinem Geringeren als Fernando Birri verkörpert. Birri, damals 88, eine Vaterfigur des argentinischen, ja des lateinamerikanischen Films, war immer schon einer gewesen, der Signale aus fremden Galaxien zu empfangen wusste.
Geri Krebs

Zusatzinformationen: Geri Krebs ist freier Filmjournalist mit Schwerpunkt Spanien und Lateinamerika, schreibt unter anderem für die NZZ und die WOZ und ist auch an Festivals als Jurymitglied tätig.