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Sélection Lumière: Fellini Satyricon

Als «Science-Fiction-Reise durch andere Sphären» hat Federico Fellini seine Adaptation des nur bruchstückhaft erhaltenen antiken Schelmenromans «Satyricon» von Petronius bezeichnet. Sein erster Kostümfilm schwankt zwischen Endzeitängsten einer sich auflösenden Gesellschaft und der Aufbruchsstimmung der befreiten Erotik der Hippie-Zeit. «Rom in vorchristlicher Zeit. Encolpio streitet sich mit Ascilto um die Gunst des Knaben Gitone. Der Dichter Eumolpo nimmt Encolpio mit zum Gastmahl des Trimalcione. Später trifft er Ascilto und Gitone auf einem Sklavenschiff wieder, dessen Kommandant sich in ihn verliebt und ihn ‹heiratet›. (...) Das sind nur einige Stationen aus einer aufwendigen, bizarren Szenenfolge, die nicht den Gesetzen der Logik, sondern denen des Traumes gehorcht. Encolpio erscheint gelegentlich eher als dramaturgisches Hilfsmittel, als verbindende Klammer für Szenen voller sinnlicher Schönheit, voller Grauen und Gewalt. Satyricon als Traum seines Regisseurs von der Vergangenheit – und von einer perfekten Kinowelt?» (Reclams Filmführer)
«Der Film pointiert in vielen grotesken Episoden die Krise einer Gesellschaft in unsicheren Zeiten, auf nichts scheint Verlass zu sein, Erdbeben in realer und symbolischer Art erschüttern die Behausungen, Menschen fliehen und beschwören vergeblich die Götter, die Dekadenz der Reichen und der Zerfall der alten Mächte münden in Narretei und Chaos. (…) Fellini macht deutlich, dass sich dieser Film eine Welt vorstellt, in der Hetero- und Homosexualität fliessend ineinander übergehen. Die fluktuierende Sinnlichkeit kann ebenso als Merkmal einer dekadenten Ära wie als Indiz einer liberalen und aufgeschlossenen Epoche gelten. Fellini gewinnt unter dem Einfluss der Counter-Culture, der freizügigen Lebensart der Hippies in den 1960er Jahren, ein ausserordentlich zuversichtliches Verhältnis zu jungen Menschen: Ihre unverkrampfte neue Natürlichkeit, die nicht von kirchlichen Tabus umzingelt und vergiftet wird, das Wiederaufleben oder die Wiedereinsetzung der Erotik in alte Rechte hat bei Fellini ausdrückliches Wohlwollen hervorgerufen.» (Thomas Koebner: Federico Fellini. Der Zauberspiegel seiner Filme. Edition text+kritik, 2010)