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Derek Jarman: Zur Kunsthaus-Ausstellung «Deftig Barock»: Derek Jarman

Nach dem Amerikaner Matthew Barney zeigt das Filmpodium zur Ausstellung «Deftig Barock» Filme eines weiteren Künstlers, der in der Schau zwar nicht vertreten ist, dessen Werk diese aber formal und thematisch schön ergänzt. Wie Barney setzt sich der Brite Derek Jarman intensiv mit dem Körper und der Körperlichkeit auseinander und hat dafür opulente Bildwelten geschaffen. Anders als der amerikanische Performance-Künstler Matthew Barney (*1967), dessen Cremaster-Zyklus im Juni im Filmpodium zu sehen war, kommt der Brite Derek Jarman (1942–1994) von der Malerei und vom Bühnenbild her. Nach nur im privaten Kreis gezeigten Super-8-Filmen machte er sich 1975 mit der Unterstützung zahlreicher Freunde an sein erstes grosses Filmprojekt, Sebastiane, das rasch zum Kult-Klassiker des schwulen erotischen Kinos avancieren sollte. Seine Homosexualität und bald auch seine Aids-Erkrankung machte Jarman in seinen Filmen immer wieder zum Thema, auch, oder gerade in historischen Stoffen, sei es in der kunstvollen Umsetzung von Shakespeares Sonetten in The Angelic Conversation (1987), in Christopher Marlowes Königsdrama Edward II (1992) oder im Künstlerporträt Caravaggio (1986). Jarman rückt den Spätrenaissancekünstler in die Nähe von Pasolini und Genet, verzahnt vor allem aber sein eigenes Leben immer mehr mit dem des Malers, der – wie er selber – zeitlebens Kontroversen provozierte, sei es mit seiner Kunst oder mit seinem Lebenswandel. Edward II zu wählen, einen kaum gespielten, wenig bekannten Klassiker aus der Shakespeare-Zeit, war auch eine List, die Zensur zu umgehen, hatte doch die Regierung Thatcher die berüchtigte «Clause 28» eingeführt, ein Verbot der «promotion of homosexuality», auch in der Kunst. Ganz direkt mit dem Klima der Thatcher-Ära rechnete Jarman in The Last of England (1987) ab. Ende 1994 erlag er seiner Aidserkrankung; sein letzter Film Blue (1994) – nur Stimmen und Töne vor einer strahlend blauen Leinwand und damit ein gleichzeitig erschütterndes und berauschendes Sinnbild für seine Erblindung – ist ein eindrückliches Vermächtnis, eigenwillig und eigenständig wie alle seine Filme.
Wir haben aus Jarmans 15 Filme umfassenden Werk die fünf Titel ausgewählt, die thematisch und ästhetisch die fruchtbarsten Assoziationen zur «Deftig Barock»-Ausstellung erlauben: Historische Stoffe mit heutigen Bezügen, thematisch und in den gezielten Anachronismen etwa in Caravaggio, wo ein Taschenrechner herumliegt. Filme aber auch, in denen Körperlichkeit und Vitalität zentral sind und die neben den opulenten Kostümen auch ausgesprochen malereiartige Bildfindungen zeigen, indem sie – ganz nach der Art Caravaggios – einzelne Figuren aus dem Dunkel ins Licht treten lassen. (cs)