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Gene Hackman & Robert Duvall: Der Einzelkämpfer und der Teamplayer

Sie sind fast gleich alt, beide geboren in Kalifornien, der eine 1930, der andere 1931; sie waren früh Freunde und teilten sich als Jungspunde eine WG in New York mit Dustin Hoffman. New Hollywood, die Erneuerungsbewegung der späten sechziger Jahre, ist ohne sie kaum denkbar: Gene Hackman, der stärkste Stürmer, und Robert Duvall, der begnadete Teamplayer unter den hoffnungsvollen Talenten der Neuerfindung Hollywoods. Wer jahrelang an Filmfestivals fährt, trifft früher oder später die Stars des Kinos live. Das heisst: Man sieht sie entweder von ferne auf einem Medienpodium, wo sie als Marketing-Zugpferde ihre neuen Filme verkaufen müssen. Oder ein bisschen näher, wenn sie in einem Hotelsaal einem Rudel Journalisten fünf Minuten Red und Antwort stehen, bevor das nächste Rudel für die nächsten fünf Minuten eingelassen wird. Dass man sie aber sozusagen anfassen kann, weil sie sich ganz normal unter den Leuten bewegen, das kommt höchstens bei Schauspielern vor, nicht bei Stars.
Robert Duvall ist so ein Schauspieler, der es – im Gegensatz zu Gene Hackman – nie wirklich zum Weltstar geschafft hat. Als er vor einigen Jahren am Filmfestival von Taormina herumspazierte, hätte man ihn wohl jederzeit am Ärmel zupfen und ihm die eigene Bewunderung ausdrücken können. Mister Duvall! Bitte-entschuldigen-Sie-aber-ich-muss-Ihnen-einfach-sagen-wie-sehr-ich-Sie-bewundere-Sie-gehören-zu-meinen-absoluten Lieblingsschauspielern ... Er hätte gewiss freundlich zugehört, sodass man der Schwärmerei noch ein paar Qualifizierungen hätte hinterherwerfen können. Zum Beispiel, dass ohne ihn die Erneuerer von Hollywood viele neue alte Machos im hohlen Actors-Studio-Korsett hervorgebracht hätten statt auch ein paar richtig gute, intelligente Schauspieler wie ihn und seinen Freund Gene Hackman, die ihren Regisseuren zeigen, dass auch die filmische Revolte stille Phasen und leise Zwischentöne braucht.
Es war dann aber befriedigender, diskret zuzusehen, wie der alte Herr mit den krummen Beinen, dem etwas fülligen Bauch und der vierschrötigen Glatze sich selbst sein konnte. Und wie er abends bei einem Empfang, in der Jasminluft eines sizilianischen Sommerabends, mit seiner schönen jungen Begleiterin eine geschmeidige Runde Tango drehte. Assassination Tango, ein argentinischer Thriller um einen Auftragsmörder in der Krise, hatte die beiden nach Taormina gebracht. Der Film, von Duvall selbst geschrieben und inszeniert, ist eher Ausdruck eines dritten Frühlings als ein Ruhmesblatt in seiner Karriere. Das hatte er aber damals, 2003, mit 72 Jahren und einigen Meilensteinen in der Filmografie, längst nicht mehr nötig.

Die Weichheit des Scharfschützen
Dass er, wie viele gute Schauspieler – von den Schauspielerinnen nicht zu reden –, gute Rollen mit zunehmendem Alter selbst erschaffen zu müssen glaubte, sagt einiges über das amerikanische Kino aus. Wirklich nachhaltig jedenfalls war New Hollywood so wenig wie andere Geisteskinder der revolutionären Sixties. Schauspieler wie Robert Duvall – und erst recht wie Gene Hackman, der ein noch grösseres Spektrum beherrschte – konnten am Ende wenig ausrichten gegen die geistige Verarmung des Hollywood-Kinos, das zunehmend nur noch Teenager bedient.
So bleiben die grossen Rollen von Duvall vor allem jene, in denen er seine besondere Art einer männlichen «sense and sensibility» ausschöpfen konnte, wie in Ulu Grosbards melancholischem Krimi True Confessions (1981), in dem er zusammen mit Robert De Niro spielt (De Niro den Priester, Duvall den Cop, ganz entgegen dem erwarteten Typecasting), ein trauriges Brüderpaar, das immer tiefer in den Sumpf einer Korruptionsaffäre zwischen Kirche und Staat gerät. Oder in Bruce Beresfords schöner Hymne an die Country Music Tender Mercies (1983), mit der Duvall – er schrieb und sang die meisten Songs selbst – sich seinen einzigen Oscar eroberte.
Als Korea-Veteran bewältigte er aber durchaus auch ledernackige Militaristen-Rollen überzeugend. Etwa in Robert Altmans Satireklassiker M*A*S*H (1970), oder als Napalm-verliebter Wellensurfer Colonel Kilgore in Coppolas Vietnam-Oper Apocalypse Now (1979). Doch wirklich raffiniert setzte ihn Coppola als Mafiaanwalt in seinem Meisterwerk-Doppel The Godfather ein: Der stille blonde Adoptivsohn scheint (neben einigen Frauen natürlich) der einzige Verstandesmensch mit moralischen Fähigkeiten zu sein in dieser barbarischen Italoclique der Gier und Skrupellosigkeit. Nur dieser Verstand und seine vorbehaltlose Loyalität garantieren ihm das Wohlwollen des mörderischen Rudels. Wie er, als Stiefkind immer im Hintergrund, unter all diesen Mafia-Primaten im Anzug den einzigen potenziellen Menschen spielt, dem kein Weg zurück aus der Hölle der Verderbnis bleibt – das hätte Shakespeare ihm auf den Leib schreiben können.

Die Härte des Buchhalters
Der gleiche Coppola zeichnet auch für eine der berühmtesten Rollen des fast gleichaltrigen Gene Hackman, dem harten Gegenpart zum stets etwas weichkonturig wirkenden Robert Duvall. Zusammen spielten sie nur zweimal: in Walter Hills Western Geronimo und eben in The Conversation, in dem Duvall allerdings nur uncredited auftrat. The Conversation ist ganz und gar Hackmans Film, ein etwas kopflastiges Kammerspiel der Paranoia – Antonioni soll geistig Pate gestanden haben –, dem Hackman mit seiner unglaublich toughen körperlichen Präsenz das nötige Leben einhauchte. Und der Hauptfigur Harry Caul die nötige Todesangst.
Da kannte man diesen farblosen Buchhaltertypen mit Brille und beiger Rentnerjacke aber bereits als rasenden Drogen-Cop aus William Friedkins furiosem The French Connection (1971), für den er gleich einen Oscar erhielt; vier Jahre später sollte John Frankenheimers grossartige Fortsetzung French Connection II folgen. Wo Duvall sich leise in unser Bewusstsein schlich, tat Hackman es mit einem Knall. Sein Popeye Doyle ist die Apotheose des zynisch-anständigen Cops, der sich weigert, im Dreck seiner Arbeit moralisch zugrunde zu gehen, und wenn es ihn sein Leben und seine Integrität kosten sollte. Keiner hat die verbissene Dialektik des Antihelden gewöhnlicher und grandioser verkörpert als Hackman in seiner Paraderolle – dank ihm bleiben die beiden Filme in ihrem Genre unerreicht.
Hackman war schneller und dann, nach beruflicher Stagnation Ende der Siebziger, nachhaltiger berühmt als Duvall. Vielleicht hatte er auch ein besseres Gespür für interessante Rollen, gute Regisseure und die sicheren Werte des Genrekinos. Jedenfalls konnte dieser Tausendsassa ohne jede äusserliche Verwandlungskunst alles spielen, was jenseits des üblichen romantischen Leading-Man-Startums lag. Immer sah er fast gleich aus, obschon er im Laufe der Jahre ein unglaubliches Figurenspektrum verkörpert hat: von der ungebrochenen Niedertracht (No Way Out, The Runaway Jury) über die profunde Desillusionierung (Mississippi Burning), die leichthin überspielte Seelenqual (The Firm) bis zum beängstigenden Ku-Klux-Klan-Rassisten (The Chamber) oder zu der komischen Figur im Schwulenschwank (The Birdcage).
Wenn es stimmt, dass er sich definitiv vom Filmgeschäft zurückgezogen hat, dann ist auf der Leinwand ein grosses Licht ausgegangen. Und es tröstet nur das Wissen, dass von seinem Freund Duvall immerhin drei Filme in der Pipeline stecken.
Pia Horlacher

Pia Horlacher, ausgewiesene Kennerin des anglophonen Filmschaffens, war lange Jahre Filmredaktorin der NZZ und der NZZ am Sonntag. Im November 2009 wurde ihr zusammen mit Christoph Egger der Kulturvermittlungspreis der Stadt Zürich verliehen.