«Time to Target bezeichnet die Zeit, die eine Rakete braucht, um ihr Ziel zu erreichen. Auch fern der Front ist die ukrainische Bevölkerung nicht vor militärischen Angriffen sicher. Nicht sicher vor Tod, Zerstörung und den gesellschaftlichen Folgen eines Zermürbungskrieges. Das westukrainische Lviv, Geburtsort von Regisseur Vitaly Mansky, kämpft um Normalität, ohne dabei die täglichen Kriegsverluste zur Gewohnheit werden zu lassen. In das frühlingshafte Treiben der historischen Altstadt zwischen Berufsverkehr, Stadtführungen und Versammlungen, Schulunterricht und Kaffeehauslärm brechen Totenglocken und Gedenkminuten ein. Wieder und wieder. Der städtische Friedhof füllt sich mit Flaggen und Holzkreuzen. Über ein Jahr begleitet der Film Musiker eines Militärorchesters, Veteranen und Zivilist:innen bei ihrer Alltagsbewältigung – mit Herz, Witz und dem Mut, sich einer gnadenlosen Realität zu stellen. Einen Frühling und ein weiteres Kriegsjahr später: Neue Rekrut:innen werden in den Einsatz geschickt. Der Kreis schliesst sich. Und es wird schmerzhaft klar, dass Frieden manchmal nichts als die Zeit bezeichnet, bevor eine Rakete einschlägt.» (Irina Bondas, Berlinale 2025)
«Mansky setzt auf eine strenge Filmsprache. Kein Off-Kommentar, keine erklärenden Texte. Er lässt die Bilder sprechen, nur ab und zu hört man die Stimmen der Orchestermitglieder. (…) Die Beerdigungen nehmen nicht ab. Der Soldatenfriedhof auf dem Marsfeld wächst immer weiter. Besonders eindringlich ist die posthume Ehrung gefallener Soldaten: Mütter, Witwen und Kinder nehmen Ehrenabzeichen entgegen. Ihre Trauer ist greifbar, doch der Regisseur filmt sie mit Zurückhaltung, ohne ins Voyeuristische abzurutschen.» (Markus Solty, film-rezensionen.de, Feb 2025)
«Ich dachte, ich kenne meine Stadt sehr gut. Nach Ausbruch des Krieges war ich oft dort und dachte, ich würde vertrauten Gesichtern begegnen. Aber jedes Mal sah ich andere Menschen bei den Beerdigungen, die ich besuchte – ausser diesen Musiker:innen. Das waren die einzigen Gesichter, die sich nicht änderten. Selbst die Soldaten, die die Särge trugen, wechselten. Ich dachte, es muss unmöglich sein, emotional zu verkraften, Hunderte Beerdigungen zu besuchen. Auf diese Weise begann ich, mich für die Musiker:innen zu interessieren und mit ihnen zu sprechen.»
(Inga Dreyer, nd-aktuell.de, 17.2.2025)
Drehbuch: Vitaly Mansky
Kamera: Roman Petrusyak, Aleksey Leskov, Vitaly Mansky
Musik: Jan Čeněk
Schnitt: Matvey Troshinkin
179 Min., Farbe, DCP, Ukr/e