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Fantozzi

Luciano Salce (Italien 1975)

Vor fünfzig Jahren kam Luciano Salces Fantozzi in die italienischen Kinos. Ausserhalb unseres südlichen Nachbarlandes eher unbekannt, schuf der Film (und seine Nachfolger) dort die wohl bekannteste Filmfigur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und vielleicht auch die italienischste. Schauspieler Paolo Villaggio schrieb die literarische Vorlage für das in Episoden erzählte Leben seiner Kultfigur, des Buchhalters Ugo Fantozzi, gleich selbst. Fantozzi ist bei einem mächtigen Grossunternehmen angestellt und wird sowohl von seinen Vorgesetzten als auch von seinen Kolleg:innen im besten Fall ignoriert, oft aber auch systematisch schikaniert. Sein Privatleben mit seiner Frau und seiner von allen wegen ihrer mangelnden Schönheit verhöhnten Tochter verhilft ebenfalls nicht zu seelischer Erleichterung. Selbst die Meteorologie verschwört sich gegen ihn: Wenn er in die Ferien fährt, verfolgt ihn, und nur (!) ihn, die berühmte «nuvola di Fantozzi», eine Wolke, die es selbst bei Sonnenschein auf sein Auto regnen lässt. Die Ironie und der Schalk der Commedia all’italiana werden mit Fantozzi noch schwärzer, grotesker, bitterer. Während die traditionellen Komödien der Nachkriegszeit die Laster und Sehnsüchte des Kleinbürgertums noch mit lieblicher Verve behandelten, führen Wirtschaftsordnung und Bürokratie der Post-Boom-Zeit bei Fantozzi bereits zu einer Entmenschlichung, Entfremdung und Unterdrückung des Individuums. Diese Radikalität spiegelt sich auch in der Filmform wider: Statt dem vom Neorealismus übernommenen Anspruch einer gewissen Authentizität früherer Filme zu folgen, bewegt sich Fantozzi bereits in einer metaphorischen, fast surrealen Welt – Fantozzis Wolke, ist da nur ein Beispiel – und seine Missgeschicke werden zudem von einer ironischen Erzählstimme eingeführt und kommentiert. Dennoch liegt das Geheimnis des Erfolgs der Fantozzi-Filme darin, dass alle Italiener:innen das Gefühl haben, irgendwann in ihren Leben Fantozzi gewesen zu sein. In dem Sinn ist Fantozzi auch ein soziokultureller Archetypus, das Symbol des italienischen «vittimismo», dieser prädestinierten Opferrolle des durchschnittlichen Bürgers, der kein Chance gegen ein übermächtiges System hat. (tb)

50 Jahre Fantozzi – Ein italienischer Kultfilm unter der Lupe

Gespräch in Italienisch mit deutscher Übersetzung, ca. 45'

Im Anschluss an den Film findet eine Diskussion mit dem bedeutenden Philosophen Raffaele Alberto Ventura (Mailand, 1983) statt – mit seinem Buch «Teoria della classe disagiata» (Theorie der mittellosen Klasse) sorgte er 2017 in ganz Italien für Furore. Im Gespräch wird die tiefgründige Bedeutung des Phänomens Fantozzi für die italienische Gesellschaft weiter erörtert und auch der Versuch gemacht, die skurrile Figur für all jene zu illustrieren, die nicht im Kulturkreis der Halbinsel aufgewachsen sind. Moderation: Francesco Ziosi (Direktor Istituto Italiano di Cultura di Zurigo).

Drehbuch: Leonardo Benvenuti, Piero De Bernardi, Luciano Salce, Paolo Villaggio
Kamera: Erico Menczer
Musik: Fabio Frizzi
Schnitt: Amedeo Salfa

Mit: Paolo Villaggio (Buchhalter Fantozzi), Anna Mazzamauro (Fräulein Silvani), Gigi Reder (Buchhalter Filini), Giuseppe Anatrelli (Landvermesser Luciano Calboni), Umberto D'Orsi (Graf Diego Catellani), Liù Bosisio (Pina Fantozzi), Bernardino Emmanuelli (Fantozzis Kollege), Plinio Fernando (Mariangela Fantozzi), Elena Tricoli (Alfonsina Serbelloni Mazzanti Vien dal Mare), Pietro Zardini (Buchhalter Fonelli), Artemio Antonini (Schläger), Amerigo Alberani (Angestellter), Mirko Baiocchi (Maestro Mario Canello), Luciano Bonanni (Gast im japanischen Restaurant), Ettore Geri (Direktor von Mega), Giovanni Pazzafini (Schläger)

108 Min., Farbe, DCP, I/d Die Veranstaltung wurde in Zusammenarbeit mit dem Istituto Italiano di Cultura di Zurigo organisiert.

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