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Alice Doesn't Live Here Anymore

Scorseses hinreissendes Roadmovie, mit wunderbaren Schauspielimprovisationen des jungen Harvey Keitel, der noch jüngeren Jodie Foster und der überragenden Ellen Burstyn, die für ihre Rolle der Alice 1974 mit dem Oscar für die beste weibliche Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde.

Für Scorsese war Alice Doesn't Live Here Anymore Neuland. Mit diesem Film betrat er eine andere als seine männerdominierte, autobiografische Welt davor. Er hatte ein grösseres Budget zur Verfügung als bisher und musste zum ersten Mal intensiv mit einem Kinderdarsteller arbeiten. Ausserdem konnte er sich in einem Studio ein richtiges Set bauen lassen. Für 85’000 US-Dollar wurde eine stilisierte Landschaft errichtet, komplett mit Häuschen und grossem gemaltem Sonnenuntergang, zu sehen in der Pre-Title-Sequenz, die Alice als Kind zeigt. Ein wilder Hollywood-Stilmix à la Scorsese: «Wir versuchten eine Kombination aus Duel in the Sun (1946) und Gone with the Wind (1939) im Stile von W. C. Menzies Invaders from Mars (1953) hinzukriegen. Und das kleine Mädchen sollte aussehen wie Dorothy in The Wizard of Oz (1939).» (zit. in: Scorsese on Scorsese, Macmillan 2004)
Die Geschichte folgt der Witwe Alice Hyatt, unterwegs auf den Strassen Arizonas. Mit ihrem halbwüchsigen Sohn Tommy lebt sie in Motels und sucht Arbeit als Sängerin in Bars. Nach einer desaströsen Kurzbeziehung mit dem gewalttätigen Ben landet das Duo schliesslich in Tucson, Arizona, wo Tommy sich mit der vorlauten Audrey anfreundet und Alice in einem Schnellimbiss einen Job als Kellnerin findet. Hier lernt sie den Farmer David kennen: Ein möglicher Neuanfang bahnt sich an.
Und Martin Scorsese fand seinen bis anfangs der 1990er Jahre typischen Look: Er liess sich einen Bart wachsen. (pm)

Martin Scorsese (USA 1974)

«Vorspanntitel vor blauem Samt. Danach Purpurhimmel. Kleine Farm und kleines Mädchen: Idylle aus der Studiofilm-Retorte. Die Rückfahrt der Kamera enthüllt die Szene als Guckkastenbild, Film im Film und Kindheitstraum von Alice, 35 Jahre, Ehefrau, Mutter, bald Witwe. Alice Doesn't Live Here Anymore schliesst an ‹women's pictures› der 1930er/40er Jahre an und untersucht, wie Seifenoper ohne Seife und Melodram ohne Melos gerät: Den ‹leading part› spielt nicht Joan Crawford, sondern Ellen Burstyn, und der schicke Upper-Class-Dekor wird abgelöst vom mediokren Inferno der Fastfood-Motel-Snackbar-Kultur. Den Traum, etwas zu sein, Sängerin zu werden in der patriarchalischen Welt, führt Scorsese wie ein Anthropologe vor, mit mobiler Handkamera in tristbunten Bars des Südwestens. ‹The American Dream›: ein glanzloser Alltag, bestückt mit neurotischen oder hochgradig gewöhnlichen Männern und einer sogenannt normalen Frau, die nichts weiter versucht, als eigene Wege zu gehen.» (Harry Tomicek, Österreich. Filmmuseum Wien, Sept. 2009)

Drehbuch: Robert Getchell
Kamera: Kent Wakeford
Musik: Richard LaSalle
Schnitt: Marcia Lucas

Mit: Ellen Burstyn (Alice Hyatt), Kris Kristofferson (David), Alfred Lutter III (Tommy), Billy Green Bush (Donald Hyatt), Lelia Goldoni (Bea), Harvey Keitel (Ben Everhart), Lane Bradbury (Bens Frau), Diane Ladd (Flo), Vic Tayback (Mel), Jodie Foster (Audrey), Valerie Curtin (Vera), Laura Dern (Mädchen mit Eis, ungenannt)

112 Min., Farbe, 35 mm, E/d/f

Spieldaten


Vergangene Vorstellungen:
Mi.,
6.3.2013
20:45