Ein Kleinkrimineller maghrebinischer Abstammung kommt als Neunzehnjähriger in ein französisches Gefängnis und wird vom dort dominierenden Korsenclan umgehend zur Ermordung eines Mitgefangenen gezwungen. Vom allseits verachteten Handlanger steigt er im Lauf von sechs Jahren zum unentbehrlichen Gehilfen des alternden Korsenchefs auf, wobei er Hafturlaube mit zunehmender Kühnheit und Cleverness zur Bildung eines eigenen Machtapparats nutzt.
Der Film, der Jacques Audiard endgültig in die Liga der grossen Regisseure gebracht hat, ist ein Gefängnisdrama, das bekannte Muster dieses Genres mit epischem Atem und seltener Wucht vorführt – um sie letztlich hinter sich zu lassen. Wohl zwingt uns Audiard mit rigoroser Engführung des Blicks zur Kenntnisnahme einer höllischen Welt der Korruption und der Gewalthierarchie, doch verharrt sein unerhört authentisch anmutender Film so wenig im blossen Naturalismus, wie sein Held in dieser Erziehungsanstalt zum Verbrechen einfach zum abgebrühten Gangster wird. Vielmehr ist Un prophète ein behavioristischer Entwicklungsroman, der die Innenwelt seines Helden als «Black Box» behandelt und stattdessen minuziös vorführt, wie sich einer unter den gegebenen Umständen verhält und «bildet». Das Ende bleibt auf bezeichnende Weise offen und schillert in grossartiger Vieldeutigkeit. (afu)
«Der rissige, vehemente Erzählrhythmus und die eigenwillige Bildsprache, die Audiard in seinen letzten Filmen entwickelt hat – das Aufflackern von Eindrücken, die Begrenzung des Blickfeldes durch eine nur halb geöffnete Blende –, ist das visuelle Äquivalent eines tastenden Begreifens, des Erlernens von Kommunikation, um die Enge der eigenen Existenz zu überwinden. (…) Wie in De battre mon coeur s'est arrêté gelingt Audiard das Kunststück, die Empathie des Zuschauers für eine Figur zu wecken, die er eigentlich verabscheuen müsste. Malik reiht sich ein in die Galerie von Aussenseitern, die sich gegen den Widerstand ihrer Umgebung neu erfinden.» (Gerhard Midding, epd Film, 3/10)
«Ein ausgesprochen harter und zugleich überraschend lichter Film, dem Stéphane Fontaines im besten Sinn dokumentarische Kamera neben den Bildern von ungeschönter Direktheit ebendiese Momente zauberischer Entrücktheit zugesteht.» (Christoph Egger, NZZ, 14.1.2010)
Drehbuch: Jacques Audiard, Thomas Bidegain, nach einer Vorlage von Abdel Raouf Dafri
Kamera: Stéphane Fontaine
Musik: Alexandre Desplat
Schnitt: Juliette Welfling
Mit: Tahar Rahim (Malik El Djebena), Niels Arestrup (César Luciani), Adel Bencherif (Ryad), Hichem Yacoubi (Reyeb), Reda Kateb (Jordi, «le gitan»), Jean-Philippe Ricci (Vettori), Gilles Cohen (Prof), Antoine Basler (Pilicci), Leïla Bekhti (Djamila), Pierre Leccia (Sampierro), Foued Nassah (Antaro), Jean-Emmanuel Pagni (Santi)
155 Min., Farbe, 35 mm, F/d