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Private

Im letzten Film der kleinen Reihe, mit der wir den 70. Geburtstag des Filmfestivals von Locarno begleiten, wirft der Italiener Saverio Costanzo mit seinem Erstling Private einen eigenwilligen Blick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt.

«Hier jagt die israelische Einheit nicht effektvoll durch die ganze Welt, sondern besetzt schlicht das in der Einöde angesiedelte Wohnhaus der palästinensischen Familie von Mohammed. Nun ist sie gezwungen, Wand an Wand mit ihren Feinden zu leben, die von nun an ihren Alltag kontrollieren, den Costanzo mit bestechender Genauigkeit und fernab aller Klischees über Muslime dokumentiert. (…) Die Tochter widersetzt sich der Anordnung des Vaters, nicht in das obere Stockwerk zu gehen. Immer wieder versteckt sich [die Tochter] in einem Schrank (…). Minutenlang übernehmen wir ihre Perspektive. Durch einen Spalt des Schrankes beobachten wir die Soldaten, die hier ihre Maske des stereotypischen Besatzersoldaten fallen lassen, zu Menschen werden. Rumalbern, sich langweilen.
Die Hartnäckigkeit dieser Einstellung beweist den grossartigen filmischen Einfall: Bei aller gewollter Neutralität und Objektivität des Erzählers kann auch er lediglich einen Ausschnitt dieses Krieges zeigen. Bei aller Beschränktheit der Mittel gelingt es dem Autor und Regisseur Costanzo anhand dieses Kunstgriffes, die Soldaten aus ihrer Schablone des Bösen zu schälen, um sie von einer anderen, einer menschlichen Seite zu zeigen.
(…) So ist Private nicht nur ein mutiger Film, über das Private, das politisch geworden ist, und das Politische, das privat geworden ist, sondern vor allem ist er der gelungene Versuch, uns vor unseren eigenen Bildern zu schützen, die wir durch die Wiederholung der immer gleichen Ausschnitte der Auslandsberichterstattung für die Wahrheit halten. Dabei ist sie die halbe Wahrheit. Und eine halbe Wahrheit ist nun mal keine ganze Wahrheit.» (Malte-Yücel Can, filmzentrale.com, 18.5.2006)

Saverio Costanzo (Italien 2004)

«Private bietet eine Vision häuslichen Grauens, die heftiger und realer ist als alles, was Hollywoods Fantasien auftischen können. Aufgrund einer wahren Geschichte erkundet Saverio Costanzos düsteres Drama den arabisch-israelischen Konflikt aus der Warte einer Palästinenserfamilie, deren Haus plötzlich und gewaltsam von israelischen Soldaten besetzt wird. Als aber der stolze Patriarch Mohammad nicht von der Stelle weichen will, kommt es in seiner Sippe zu Spaltungen, was eindringlich vor Augen führt, wie sich das Politische auf das Private auswirkt.
Das Haus steht zwischen israelischen Siedlungen und einem arabischen Dorf und ist eindeutig ein Symbol eines breiteren Konflikts. Costanzo vermeidet aber, die Geschichte zu einer papierenen Allegorie zu machen, indem er an den Ängsten und Frustrationen der Familie nah dranbleibt. Er verwendet digitale Handkameras und sein dokumentarischer Stil vermittelt ein beklemmendes Gefühl von Klaustrophobie. Die Spannung steigt ins fast Unerträgliche, als Mohammads älteste Tochter Miriam kühn in einen Schrank schlüpft, um die israelischen Soldaten zu bespitzeln.
Diese Szenen verleihen auch den Besatzern ein menschliches Antlitz und sorgen für einen gewissen Ausgleich in einem Film, dessen mehrheitlich einseitige Schilderung einer derart vertrackten Situation manches Publikum vor den Kopf stossen könnte. Nichtsdestotrotz: Als Protest gegen die institutionelle Verletzung von Menschenrechten ist dies starker Tobak und der Film ist überzeugend gespielt.» (Mathew Leyland, bbc.co.uk, 6.5.2005)

Drehbuch: Saverio Costanzo, Sayed Kashua, Camilla Costanzo, Alessio Cremonini
Kamera: Gigi Martinucci
Musik: Alter Ego
Schnitt: Francesca Calvelli

Mit: Mohammad Bakri (Mohammad B.), Lior Miller (Kommandant Ofer), Hend Ayoub (Mariam B.), Tomer Russo (Soldat Eial), Areen Omari (Samiah B.), Marco Alsaying (Jamal B.), Sara Hamzeh (Sarah B.)

90 Min., Farbe, 35 mm, OV/d/f

Spieldaten


Vergangene Vorstellungen:
Mo.,
10.7.2017
20:45
Sa.,
15.7.2017
18:15