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Shadows

Mit seinem improvisierten Regieerstling Shadows schuf der Schauspieler John Cassavetes 1959 ein Werk, das mit den Konventionen Hollywoods brach und den amerikanischen Independent-Film begründete. Gleichzeitig stellte seine Schilderung der Erlebnisse dreier afroamerikanischer Geschwister in der New Yorker Jazzszene auch eine wegweisende Auseinandersetzung mit alltäglichem Rassismus in den USA dar.

«Bewunderer von Mean Streets mögen sich gefragt haben, wie Scorsese zu seiner schwindeligen Vision von nervösen New Yorker Neurotikern kam; Cassavetes’ Erstling könnte da einen starken Einfluss ausgeübt haben. Wie in dem späteren Film geht es auch hier weniger um die Story – zwei Brüder und eine Schwester schlagen sich mit allerlei Spannungen untereinander sowie mit Freunden und Geliebten herum – als um die elektrisierende Atmosphäre und schauspielerische Darbietungen mit Ecken und Kanten. Die drei schleppen sich durch ihr schäbiges Grossstadtleben (verrauchte Nachtclubs, prätentiöse Partys, verheerende sexuelle Erlebnisse, Raufereien und bierselige Beatnik-Gespräche), geplagt von berauschendem Bluthochdruck, wobei heute an diesem Meilenstein des Improvisationskinos überrascht, dass er oft sehr komisch ist. Der sprunghafte Schnitt, die schärfeunabhängige Kameraführung und die naturalistischen Dialoge (im selben Jahr wie Godards À bout de souffle gedreht, teilt Shadows mit diesem auch manche Impulse in Richtung einer neuen Form des Filmemachens) mögen nicht mehr schockieren, aber 1959 müssen sie eine Offenbarung gewesen sein. Mit seinem melancholischen, launischen Mingus-Soundtrack und seiner stahlgrauen Bildgestaltung ist er nach wie vor eine Freude.» (Geoff Andrew, Time Out Film Guide)

John Cassavetes (USA 1960)

«Eine der Revolutionszäsuren im amerikanischen Kino, das in eine Zeit vor und nach Shadows unterteilbar ist. Zur Gänze improvisiert, auf den Strassen, in Bars und Hinterzimmern New Yorks mit 16-mm-Film und Handkamera gedreht und eigentlich nur als privates Experiment, als Übung für John Cassavetes’ Schauspielschüler des Variety Art Studio gedacht, opfert Shadows die Ästhetik und Grammatik des in Hollywood entwickelten Kinospielfilms (...) einer Unmittelbarkeit, die so frappant ungeglättet und rein (will sagen: nicht gewollt, nicht als Stilmittel eingesetzt) ist, dass man für sie auch das Wort Wahrheit einsetzen könnte. (...) Cassavetes’ erster und bester Film ist auf hypnotisierende Art auch ein dilettantischer, aus lauter Fehlern, Störfaktoren und Unebenheiten gefügter Film, die just deshalb auch Offenbarungen fürs Auge und Wunder für Wahrnehmung und Zeit-Rhythmus-Sinn bereithalten. (...) Jeder Mangel an Cassavetes’ ‹home-movie-arte-povera› ist zugleich Reichtum, der das Medium und das Filmen neu erfahrbar macht.» (Harry Tomicek, Programm Filmmuseum Wien, November 2001)

Drehbuch: John Cassavetes
Kamera: Erich Kollmar
Musik: Charles Mingus
Schnitt: Maurice McEndree

Mit: Hugh Hurd (Hugh), Lelia Goldoni (Lelia), Ben Carruthers (Ben), Anthony Ray (Tony), Dennis Sallas (Dennis), Tom Allen (Tom), David Pokitillow (David)

87 Min., sw, 35 mm, E/d/f, J/14

Spieldaten


Vergangene Vorstellungen:
Di.,
30.5.2017
18:15
Einführung: Martin Walder
Sa.,
3.6.2017
20:45