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Nathan der Weise

Das Institut für incohärente Cinematographie (IOIC) widmet sich in der aktuellen Saison dem Mittelalter im Stummfilm. Zahlreich sind im frühen Kino die Filme, die ihre Zuschauer durch Zeit und Geschichte streifen lassen, um sie dann um die Erfahrung ihrer eigenen Vergangenheit bereichert wieder in die Gegenwart zu entlassen. Diese Geschichtsbilder von damals werden, ganz im Sinne des IOIC, durch aussergewöhnliche zeitgenössische Live-Vertonungen mit der heutigen Gegenwart in Beziehung gesetzt. Nach den edlen Helden, den Hexen und germanischen Mythen im letzten Jahr geht es im aktuellen Programm um Religion und um den Ausgang des Mittelalters.

Donnerstag, 10. März 2016, 20.45 Uhr
Faust – eine deutsche Volkssage

Der Ausgang des Mittelalters
Von der Korrumpierbarkeit der menschlichen Seele überzeugt, schliesst der böse Geist Mephisto mit dem Erzengel Gabriel eine Wette ab, dass er Gott die Seele des alten Gelehrten Faust abringen werde. Ohnmächtig und verzweifelt muss Faust dem Sterben seiner von der Pest bedrohten Mitbürger zusehen und verschreibt sich dem Verführer Mephisto, der ihm zu Jugend, Reichtum und Macht verhilft. Im Gegenzug entsagt Faust Gott und seinen himmlischen Heerscharen, worauf er immer übermütiger wird und eine erst im Tod endende Abwärtsspirale ihren Lauf nimmt.
In seiner Bearbeitung des Faust-Stoffes übernimmt Friedrich Wilhelm Murnau Elemente aus der Historia von Doktor Johann Fausten sowie aus Marlowes und Goethes Dramen und gibt der Geschichte eine neue, durchaus eigenwillige Wendung. Verstrickt in den metaphysischen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Schatten gibt es nur ein Mittel für den Ausgang des Menschen aus dem religiösen Mittelalter in die helle Moderne: die Liebe.
Gezeigt wird dieser Klassiker des deutschen Stummfilms mit einer neuen Live-Vertonung der Zürcher Band mit dem klingenden Namen Ikarus. Das Jazz-Quintett um den Komponisten Ramón Oliveras mit zwei Stimmen, Piano, Kontrabass und Schlagzeug bürgt auch mit seinem Namen für eine Vertonung, die abheben wird. Der mythische Ikarus steht schliesslich für die Gefahren, Risiken und Nebenwirkungen des übermütigen Greifens nach der Sonne. (IOIC)

Vertonung: Ikarus
Ramón Oliveras (Komposition, Schlagzeug)
Stefanie Suhner (Stimme)
Andreas Lareida (Stimme)
Lucca Fries (Piano)
Mo Meyer (Kontrabass)
http://ikarus.band/

Manfred Noa (Deutschland 1923)

In einer Zeit sich verhärtender Fronten lohnt es, sich den humanistischen Toleranzbegriff Lessings vor Augen zu führen. Da an die absolute Wahrheit für den Menschen lediglich eine Annäherung möglich ist, kommt es darauf an, sich fortwährend um eine tiefergehende Erkenntnis zu bemühen. Wer sich bereits im Besitz der Wahrheit wähnt, bringt sich selbst um die Möglichkeit einer weiteren Annäherung. Nicht das blosse Zulassen anderer Religionen und Kulturen ist gefordert, sondern ein ernsthaftes und konstruktives Sich-Einlassen auf andere Überzeugungen. Mit der Vorstellung, dass neben dem Judentum auch eine vertiefte Beschäftigung mit dem Islam eine Bereicherung bedeutet, stand Lessing allerdings schon in der Aufklärung isoliert da.
Manfred Noas Verfilmung von Lessings berühmtem, zur Zeit der Kreuzzüge spielenden Ideendrama ist einer der zu Unrecht vergessenen Klassiker des deutschen Stummfilms. Von den Nationalsozialisten bereits 1923 aufs Heftigste attackiert und später verboten, ist der Film erst seit 20 Jahren wieder im Umlauf. Und er hat nichts von seiner Aktualität eingebüsst. Anders als neuere Inszenierungen im Theater hält die Verfilmung dem Geist des Stückes die Treue und der eigenen, also christlich-abendländischen Kultur in kritischer Absicht den Spiegel vor. Hier sind die Juden und Muslime aufgeklärt und tolerant – und damit das positive Gegenbild zur eigenen Kultur. Der Film ist allerdings genauso wenig wie Lessings Drama ein zwar tiefgründiges, aber formal langweiliges Traktat. Ganz im Gegenteil besticht das Werk durch eine kunstvolle Dramaturgie, rasante Schnitte und schnelle Schauplatzwechsel.
Vertont wird der Film von einer Band, die das ferne Mittelalter unmittelbar in die Gegenwart holt: The Pussywarmers and Réka. Ursprünglich aus dem Tessin sowie aus Ungarn stammend, befinden sich die fünf modernen Troubadoure seit mehreren Jahren auf einem internationalen Kreuzzug der anderen Art: nämlich die Ungläubigen mit ihrem postkolonialen Rock’n’Roll, bei dem es einfach jedem Menschen warm ums Herz werden muss, zu bekehren. (IOIC)

Vertonung: The Pussywarmers and Réka
Réka Csiszér (Stimme, Keys)
Fabio Pozzorini (Stimme, Gitarre)
Simone Bernardoni (Gitarre)
Pietro Dionisio (Trompete)
Raoul Roth (Kontrabass)
Damiano Merzari (Schlagzeug)
http://www.thepussywarmers.com/

Drehbuch: Hans Kyser, nach dem Schauspiel von Gotthold Ephraim Lessing
Kamera: Hans Karl Gottschalk

Mit: Werner Krauss (Nathan), Carl de Vogt (der Tempelherr), Bella Muzsnay (Recha), Margarete Kupfer (Daja), Ferdinand Martini, Fritz Greiner, Lia Eibenschütz, Max Schreck, Rudolf Lettinger, Ernst Schrumpf, Wolfgang von Schwind

123 Min., tinted, Digital HD, Stummfilm, dt. Zw'titel

Spieldaten


Vergangene Vorstellungen:
Do.,
25.2.2016
20:45
Live-Vertonung: The Pussywarmers & Réka