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Men, Women & Children

Eindringliche und gleichzeitig unbeschwerte Filme sind die Spezialität des kanadischen Drehbuchautors und Regisseurs Jason Reitman (*1977). In Men, Women & Children setzt er sich mit den verschiedensten Formen der digitalen Kommunikation und deren Auswirkungen auf zwischenmenschliche Beziehungen auseinander.

Jason Reitman ist konventionell und Jason Reitman ist subversiv. Er arbeitet mit Stars, nutzt Hollywoods Produktionsmaschine und beherrscht die Stilmittel des Mainstreams. Und damit beschert er uns Filme wie Thank You for Smoking, Juno, Up in the Air, Young Adult und nun Men, Women & Children. Filme voller handwerklicher Meisterschaft, die eine gelackte Welt wirkungsvoller demaskieren als so mancher Frontalangriff.
In Men, Women & Children geht es vordergründig um unsere Kommunikation in Zeiten totaler Vernetzung. Ein Paar lebt sich still und leise auseinander. Don onaniert sich durch Pornoseiten zu seiner ersten Prostituierten. Helen verspricht sich von einem Datingportal Abenteuer, die sie endlich wieder in Flammen versetzen. Und ihr Sohn Chris weiss vor lauter Internetporno schon gar nicht mehr, was Sexualität ist.
Donna puscht ihre Tochter Hannah mit allen noch so schlüpfrigen Mitteln zu 15 Minuten Berühmtheit. Patricia dagegen kontrolliert und zensiert rigoros jeden Mucks ihrer Tochter Brandy. Kent kann nicht verstehen, weshalb sein Sohn Tim mehr Energie in ein Online-Rollenspiel steckt als in die Football-Karriere. Und Allison bleibt mit ihrer Magersucht trotz Community ganz allein.
Zugegeben, Men, Women & Children ist auch ein Thesenfilm. Die Erzählerin aus dem Off begleitet uns zeitweilig etwas gar didaktisch. Dafür werden wir mit der betörenden Stimme Emma Thompsons entschädigt. Man kann Reitman vorwerfen, sein Film entwickle mit seinen vielen Fäden und seiner kühlen Beobachtung keinen emotionalen Sog.
Fragmentierung und Distanziertheit sind jedoch bei genauerem Hinsehen nur konsequent. Reitman sucht die Form, die das Thema verlangt. Denn genau darum geht es: um eine komplett zerstückelte Kommunikation. Es gibt nichts mehr, auf dem unser Blick zur Ruhe käme. Und so werden die Bilder dauernd von weiteren Screens gestört, zerschnitten, überlagert, weggeschoben. In dieser Welt des Multitasking scheint es völlig normal, dass zwei Mädchen sich per SMS über ihr Gegenüber lustig machen, mit dem sie sich gerade unterhalten. Selbst Patricia, die unablässig vor den Gefahren des Internets warnt, verliert in diesem Netz den Durchblick. Sie nutzt ausgerechnet die verteufelte Technik, um die Kontrolle über ihre Tochter total zu machen und bitteren Verrat zu begehen.
Je mehr solche Splitter Reitman zusammenträgt, desto klarer wird ein bedrückendes Paradoxon sichtbar. Die Menschen in Men, Women & Children sind trotz permanenter Vernetzung vollkommen isoliert und orientierungslos. Verlorene Seelen in Raum und Zeit. Und damit ist Reitman wieder beim Thema all seiner Filme: der Wahrhaftigkeit. Beziehung wird nur möglich, wenn wir uns wahrhaftig von Angesicht zu Angesicht begegnen.
Vielleicht ist Reitman deshalb ein so grossartiger Regisseur für junge Schauspielerinnen und Schauspieler, denen ihre Rolle im System noch nicht zugewiesen wurde. Mit ihnen gelingen ihm wunderbar intime Miniaturen. Dann sind sie plötzlich verschwunden, die Thesen, die Didaktik und auch das vermaledeite Internet. Dann sind da nur noch zwei Menschen, die sich begegnen. Und in diesen kurzen Augenblicken wird die Wahrhaftigkeit sichtbar, nach der Reitman ausgerechnet in Hollywood so unablässig sucht.

Jason Reitman (USA 2014)

Eindringliche und gleichzeitig unbeschwerte Filme sind die Spezialität des kanadischen Drehbuchautors und Regisseurs Jason Reitman (*1977). Das gelingt ihm auch in Men, Women & Children. Facettenreich setzt er sich mit den verschiedensten Erscheinungsformen der digitalen Kommunikation und deren Auswirkungen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen auseinander. Er zeichnet hier das Gesellschaftsbild einer US-amerikanischen Vorstadt im digitalen Zeitalter: Teenager machen erste Erfahrungen mit Online-Rollenspielen, Chatrooms und Internet-Pornografie, ihre Eltern nutzen die digitalen Möglichkeiten zur Überwachung ihrer Kinder oder stürzen sich zur Belebung ihres Liebeslebens in die Untiefen des Netzes.

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Drehbuch: Jason Reitman, Erin Cressida Wilson , nach dem Roman von Chad Kultgen
Kamera: Eric Steelberg
Schnitt: Dana E. Glauberman

Mit: Adam Sandler (Don Truby), Jennifer Garner (Patricia Beltmeyer), Rosemarie DeWitt (Helen Truby), Judy Greer (Donna Clint), Dean Norris (Kent Mooney), Emma Thompson (Erzählerin), Timothée Chalamet (Danny Vance), Olivia Crocicchia (Hannah Clint), Kaitlyn Dever (Brandy Beltmeyer), Ansel Elgort (Tim Mooney)

119 Min., Farbe, Digital HD, E+D/d

Spieldaten


Vergangene Vorstellungen:
Do.,
21.5.2015
18:00
anschl. Podiumsdiskussion über Privatsphäre im Netz
So.,
24.5.2015
20:45
Mo.,
25.5.2015
18:15
Do.,
28.5.2015
20:45
Sa.,
6.6.2015
20:45
Fr.,
12.6.2015
15:00
Sa.,
20.6.2015
18:15